Also sprach… der Kunde: Mit der Stimme Geld verdienen

Die Stimme ist Ausdruck der Persönlichkeit und wenn wir sprechen, verraten wir mehr, als wir sagen. Das eröffnet auch Banken und Versicherern interessante Perspektiven.

Das Thema Sprache wird aktuell vor allem im Kontext von Chatbots diskutiert. So kam meine Kollegin Christine Spietz vor einiger Zeit zu der Einschätzung, dass eine intelligente Sprachsteuerung den digitalen Assistenten zum Durchbruch verhelfen wird. Für Banken und Versicherer sind sie spätestens dann eine attraktive Option. Allerdings ist dies nur ein Teilaspekt im großen Spektrum der angewandten Sprachwissenschaft. Deshalb richte ich mein Augenmerk heute nicht auf die syntaktische Analyse der Sprache, sondern auf die Sprachmelodie und -kommunikation.

Emotionen kann man hören

Die Macht der Stimme: Verschiedene Hochschulen forschen bereits seit Jahren auf diesem Gebiet – bisher fließen ihre Erkenntnisse vor allem im medizinischen Umfeld ein. Federführend ist hier das Media Lab des Massachusetts Institute of Technology (MIT), aber auch die TU Berlin erforscht die Bereiche Sprechwirkung und -melodie intensiv. Demnach besitzen wir feine Antennen für den Klang unserer Mitmenschen und können bereits als Baby Emotionen in der Stimme wahrnehmen. Die Badische Zeitung zitiert Dr. Walter Sendlmeier, Professor für Kommunikationswissenschaft an der TU Berlin: „In der Evolution war diese Sensibilität ein Anpassungsvorteil. Wer sein Gegenüber schnell und richtig beurteilen konnte, war besser in der Lage, Interaktionspartner als potenzielle Gefahr oder Hilfe einzuschätzen.“ Die Stimme ist kein technisches Instrument, sondern funktioniert abhängig von der Psyche, d.h. Emotionen wie Freude, Ärger und Trauer lassen sich ablesen. Außerdem ist jede Stimme einzigartig – sie lässt sich akustisch vermessen und eindeutig zuordnen. Banken und Versicherern eröffnen sich damit gleich mehrere Einsatzszenarien:

1. Sprachbiometrie zur Authentifizierung
Bereits in den Blickpunkt gerückt ist die Sprachbiometrie. Hier geht es darum, Identitäten zu erkennen und den klassischen Authentifizierungsprozess zu vereinfachen: Intelligente Systeme identifizieren Kunden anhand ihres Stimmabdrucks und erhöhen die (Betrugs-)Sicherheit sowie die Kundenzufriedenheit. Solche Lösungen kommen z.B. bereits bei der National Australia Bank, der ABN Amro Bank (Niederlande), der chinesischen Handelsbank CMB und dem Zahlungsinstitut Worldcore (Tschechien) zum Einsatz. Ein spannendes Thema, auf das ich allerdings nicht detaillierter eingehen möchte. Stattdessen soll hier und heute die emotionale Komponente der Sprache im Fokus stehen.

2. Stimmanalyse für mehr Absatz und Kundenzufriedenheit

Wie bereits ausgeführt, verrät die Stimme viel über die Gefühlslage eines Menschen. Das eröffnet die Chance, Emotionen per Stimmanalyse gezielt zu diagnostizieren. So entwickelten Forscher der Universität Kalifornien z.B. einen Algorithmus, der erkennen kann, ob jemand an einer Depression leidet. In eine ähnliche Richtung geht auch die Arbeit von AudioProfiling. Das Unternehmen wurde 2004 als Spin-off der Humboldt-Universität zu Berlin gegründet und baut Algorithmen, die in der Lage sind, aus dem Stimmklang und der Sprechweise emotionale und physische Zustände abzuleiten. Dadurch werden die fünf Hauptdimensionen einer Persönlichkeit (emotionale Labilität, Gewissenhaftigkeit, Begeisterungsfähigkeit, Offenheit und Verträglichkeit) offengelegt.

Das Ergebnis einer solchen Stimmanalyse ließe sich auch von Banken und Versicherern gewinnbringend nutzen. Ausgestattet mit einer entsprechenden Software könnten Telefonate mit Kunden in Echtzeit analysiert werden – und Wortwahl sowie Ausdrucksweise Aufschluss darüber geben, ob der Gesprächspartner positiv oder negativ reagiert. Das erhöht nicht nur die Absatzchancen neuer Produkte, sondern bietet auch mit Blick auf den Kundenservice attraktive Optionen. Zum einen ließe sich bei Unzufriedenheit bereits während des Telefonats gegensteuern und zum anderen wären ohne größeren Aufwand umfangreiche Auswertungen realisierbar. Das gilt vor allem dann, wenn Spracherkennungssysteme mit künstlicher Intelligenz gekoppelt werden. Hier könnten Analysedatenbanken (Wissen, Qualitätssicherung, Zufriedenheit etc.) aufgebaut werden, die unter dem Strich bares Geld bringen.

Kennen Sie Projekte?

Natürlich sind bei der Sprachbiometrie und Stimmanalyse auch Sicherheitsaspekte zu berücksichtigen: Das reicht von der kritischen Prüfung von Manipulationsmöglichkeiten bis hin zum Umgang mit persönlichen Informationen. Nichtsdestotrotz sage ich dem Thema eine erfolgreiche Zukunft voraus. Während mit der Sprachbiometrie bereits bei Finanzinstituten gearbeitet und getestet wird, ist mir noch kein aktiver Einsatz der Stimmanalyse zur Absatzförderung und Kundenbindung im Call-Center-Umfeld von Banken und Versicherern bekannt. Oder kennen Sie Beispiele? Ich freue mich auf Ihre Rückmeldungen!

 

Bildquelle: Shutterstock

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