Falsch abgebogen? Die FinTech-Reise der europäischen Großbanken

Adaption, Kooperation, Inkubation? Die FinTech-Aktivitäten europäischer Großbanken in Deutschland, der Schweiz, Großbritannien und Spanien auf dem Prüfstand.

Kürzlich hat die Deutsche Bank verkündet, ernst zu machen: Sie will in diesem Jahr rund 200 Millionen Euro in digitale Innovationen investieren – bis 2020 sollen es etwa 750 Millionen Euro sein. Ein zentraler Baustein: Die Bank kooperiert mit einer ganzen Reihe von FinTechs. Es stehen u.a. die Namen Zinspilot, Figo, Fincite, WebID, DSwiss und Gini im Raum. Für mich der Anstoß, die FinTech-Aktivitäten einiger europäischer Großbanken genauer unter die Lupe zu nehmen – ohne Anspruch auf Vollständigkeit.

Ein Blick vor die Haustüre

Welche Strategien die deutschen Banken verfolgen, hat die Finance-Redaktion in ihrer Serie „FinTech-Strategien deutscher Banken“ zusammengefasst. Wer mehr erfahren möchte, dem sei ein Klick auf die hinterlegten Links empfohlen.

  • Die Commerzbank setzt auf drei Säulen: Acceleratoren, Inkubatoren und Venture Capital. Der Main Incubator ist eine Tochter der Commerzbank und stellt FinTechs Kapital, Know-how und Räumlichkeiten zur Verfügung. Ziel ist, die Produkte in die Angebotspalette zu integrieren. Der Fokus liegt auf dem Firmenkundengeschäft, was sich auch im Beteiligungsportfolio widerspiegelt: Hier finden sich Gini, Traxpay, Byebuy und Optiopay. Die Startup-Garage der Commerzbank-Tochter Comdirect folgt dem Accelerator-Modell und CommerzVentures nutzt die Bank für ein Hedging.  Die Commerzbank plant, noch im ersten Halbjahr 2016 mit ihrer eigenen Kreditvermittlungsplattform Main Funders zu starten.
  • Die HypoVereinsbank betrachtet FinTechs in erster Linie als mögliche Kooperationspartner. Die Zusammenarbeit erfolgt sowohl über direkte Beteiligungen als auch über Venture-Capital-Fonds. Seit kurzem kooperiert man mit der Technischen Universität München. Über das Accelerator-Programm TechFounders erhält die HypoVereinsbank direkten Zugang zu FinTechs. Im Firmenkundengeschäft setzt die Bank neben eigenen Entwicklungen auch auf FinTech-Kooperationen (u.a. SumUp, Compeon, Fintura und Gini).
  • Die genossenschaftliche DZ Bank geht die FinTech-Thematik in erster Linie dezentral an. Die Genossenschaftsbanken sollen eigenständig an ihren Innovationsprojekten arbeiten – trotz einer neugeschaffenen Innovations-Abteilung, die als Sammelpool für Informationen dient. Extern treibt die DZ Bank ihre FinTech-Aktivitäten gemeinsam mit Axel Springer voran. Dazu ging sie eine strategische Partnerschaft mit Plug & Play ein, dem Venture-Capital-Arm des Verlags.

Unsere Schweizer Nachbarn

Wie sieht es in der Schweiz aus? Vor kurzem gab es gleich mehrere Überraschungen: Die Rivalen UBS und Credit Suisse haben mit dem Kickstart Accelerator eine Initiative für den FinTech-Standort Schweiz lanciert. Außerdem haben UBS, Credit Suisse, PostFinance, Raiffeisen, Zürcher Kantonalbank, die Börsenbetreiberin SIX, Coop, Migros sowie der Telekom-Riese Swisscom Sondierungsgespräche bezüglich einer gemeinsamen Lösung für digitale Zahlungsverkehrsleistungen in der Schweiz aufgenommen. Das Ergebnis: Die beiden Schweizer Bezahl-Apps Twint und Paymit fusionieren. Hintergrund ist die drohende Konkurrenz durch ausländische Giganten wie Apple, Google oder Samsung.

  • Die Credit Suisse engagiert sich im New Yorker Silicon Alley. Das 2010 eingeführte Innovation Lab soll die Entwicklungen im Bereich FinTech beschleunigen. Die Schweizer Bank ist seit dem Programmstart an Bord. Außerdem ist man in Singapur mit einer eigenen FinTech-Innovationsstätte präsent.
  • Anfang April wurde vermeldet, dass die Investmentbank der UBS für die Beratung von FinTech-Firmen eine eigene Leitungsstelle schafft – ein Indiz, dass dem Boom-Thema eine große Bedeutung beigemessen wird. Außerdem lancierte die Bank kürzlich die digitale Kontoeröffnung, bietet mit Paymit eine digitale Brieftasche an und tüftelt in einem Labor in London an der Blockchain-Technologie. Seit Mitte 2014 unterhält die USB ein FinTech-Innovationslabor in Singapur. Allerdings hat der IT-Vorstand und FinTech-Guru Oliver Bussmann das Unternehmen zum 1. April verlassen – es bleibt also spannend, wo die Reise für das Finanzinstitut nun hingeht.
  • Prof. Dr. Andreas Dietrich schreibt im IFZ Retail Banking Blog der Hochschule Luzern über die PostFinance: „Viele Banken erkennen das Potenzial und auch die Notwendigkeit von Innovationen, doch die meisten Finanzinstitute haben keinen strukturierten Ansatz, wie sie diese gezielt fördern. Ein aus meiner Sicht sehr gutes Beispiel für die Innovationsförderung stammt von PostFinance.“ Dabei geht Dietrich auf das interne Innovationsmanagement, die Motivation von Mitarbeitern und die Veranstaltung von Hackathons ein. Ab 2017 beabsichtigt man, in Kooperation mit Swissquote, in die Online-Vermögensverwaltung einzusteigen.

Ein Blick auf die Insel

Auch britische Banken sind nicht tatenlos und versuchen mit Acceleratoren und anderen Start-up-Initiativen ihr Glück – sie haben das Thema FinTech deutlich früher aufgenommen als die Konkurrenz der DACH-Region. Nicht umsonst wird London derzeit als europäischer FinTech-Hub gehandelt.

  • Barclays hat einen eigenen Accelarator und ist insgesamt sehr aktiv im Promoting, Aufbau und Entwickeln von diversen FinTech-Start-ups.
  • RBS kooperiert beim Thema Accelerator mit NatWest, Lloyds mit dem Londoner Startupbootcamp und HSBC hat angekündigt, weltweit 200 Millionen Dollar in Start-ups zu investieren, die die Finanztechnologie verbessern wollen. Ende 2015 wurde außerdem ein Fintech-Lab in Singapur eröffnet.

Unter der Sonne Spaniens

  • Die Santander setzt anstatt auf Eigenentwicklungen auf gezielte Investitionen – u.a. in innovative Bezahlverfahren: Fünf Millionen US-Dollar aus dem Innoventures Fund der Bank bekam Mycheck. Das New Yorker Start-up erleichtert Freunden das Bezahlen im Lokal per App. Die Rechnung wird dort aufgeladen, danach kann jeder sein Scherflein mobil beitragen. Ansonsten hat man mit Santander InnoVentures ein Vehikel zur Hand, welches sehr dynamisch große Summen von Venture Capital in die FinTech-Szene pumpt. Man geht hierbei in der Werbung durchaus aggressiv vor.
  • Die Bankengruppe BBVA mit Hauptsitz in Spanien, eine der größten Banken in Südamerika, hat im März bekannt gegeben, das finnische Start-up Holvi zu übernehmen. Hierbei handelt es sich um einen Online-Dienst, der Unternehmern, Kleinunternehmern und Freelancern ein digitales Geschäftskonto anbietet, mit dem man Banking, papierlose Buchhaltung und Rechnungslegung von einer zentralen Plattform abwickeln können soll. Holvi, das auch in Österreich genutzt wird, soll als eigenständiger Service weiterlaufen. Der neue Eigentümer erwartet sich davon, Know-how und Ideen mit der neuen Tochter austauschen zu können.

Ohne interne Innovationen geht es nicht

Natürlich ist das nur eine oberflächliche Zusammenfassung. Sie zeigt aber eines ganz deutlich: Ob London, Berlin/Frankfurt, Bern oder Madrid – die europäischen Großbanken suchen an den gleichen Stellen nach Inspiration, und verlassen sich vornehmlich auf externes Know-how. Dabei fällt auf, dass die Investitionen längst international gemanagt werden. Die Banken- und Venture-Capital-Szene rückt länderübergreifend zusammen. Was fehlt, sind durchschlagende Erfolge.

Innovationen kommen in der Bankenbranche nach wie vor hauptsächlich von außen – trotz quer über den Erdball verteilter Innovation Labs. Und genau hier liegt der entscheidende Knackpunkt. Banken können mit FinTechs kooperieren oder FinTechs kaufen, aber ohne ein internes Innovationsmanagement fehlt in letzter Konsequenz die Durchschlagskraft. Es reicht nicht, losgelöste Einheiten auf der grünen Wiese testen zu lassen. Ein Mehr an Innovation erfordert ein Mehr an systematischer Kreativität: Banken müssen ihre Kultur verändern, Methoden lernen, um selbst kreativ zu sein. Denn mit dem richtigen System und der Freiheit, auszuprobieren und Fehler zu begehen, können auch Banken zum FinTech werden – aber eben auch nur dann….

Bildquelle: Shutterstock

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