Next Generation Payment: Quo vadis Zahlungsverkehr?

Wie sieht die Zukunft des Zahlungsverkehrs aus, welche Auswirkungen hat die PSD2 und wohin entwickelt sich die Branche? Auf dem Kongress Next Generation Payment wurde nach Antworten gesucht.

Am 13. Januar ist die “Payment Service Directive II”, kurz PSD2-Richtlinie, in Kraft getreten. Der Wettbewerb im Zahlungsverkehr soll durch Einbeziehung dritter Dienstleister gestärkt, die Digitalisierung vorangetrieben und innovative, sichere Zahlungsformen ermöglicht werden. Welche Auswirkungen hat die Richtlinie und welche strategischen Konsequenzen ergeben sich für Banken? Mit diesen und weiteren Fragen beschäftigten sich Banker, Finanzdienstleister und FinTech-Vertreter Ende Januar 2018 beim jährlichen Kongress Next Generation Payment des Bankingclubs Köln.

Langsamer Wandel im Zahlungsverhalten

Das Zahlungsverhalten der Deutschen ist im Wandel, wenn auch langsamer als z.B. bei den skandinavischen Nachbarn. Dort wurden einem Bericht des Handelsblatts zu Folge schon 2013 Stockholmer Obdachlose “(…) mit Kartenlesern ausgerüstet, um Spenden ihrer Landsleute zu akzeptieren”. Im Vergleich dazu steckt Deutschland in den Kinderschuhen, aber auch hierzulande ist etwas in Bewegung, wie Dr. Heike Winter von der Deutschen Bundesbank in ihrem informativen Vortrag erläuterte: Der Anteil an Kartenzahlungen ist in den letzten 20 Jahren immerhin von sechs Prozent auf knapp die Hälfte aller Zahlungen gestiegen und bis Ende 2019 werden drei Viertel der Girokarten einen NFC-Chip für kontaktlose Zahlungen haben.

Praxiserfahrungen aus einem Pilottest mit der kontaktlosen Girokarte schilderte Ralf-Christoph Arnoldt vom BVR. Demnach überraschte das Testgebiet mit hohen Wachstumsraten und man rechnet damit, dass das Ergebnis auf das Bundesgebiet übertragbar sei. Anschaulich und amüsant war ein Sales-Test-Video: Kunden beobachteten andere Kunden beim kontaktlosen Zahlungsvorgang erst sehr argwöhnisch, wurden dann aber von ihrer Neugierde übermannt und wollten es selbst ausprobieren. Hier scheint der Schneeballeffekt zu funktionieren und stimmt den BVR zuversichtlich.

Einen Schritt weiter geht die Zahlung mit digitaler Karte und Smartphone, bei der Bezahlvorgang und physische Karte entkoppelt sind. Dieses Verfahren hat den Vorteil, dass der Kunde beliebig viele virtuelle Karten in Geräten und eShops hinterlegen kann. Volker Koppe von VISA Europe und der Marketingexperte Patrick Urban von der MUUME AG schilderten damit verbundene neue Zahlungswege aus ihren ganz unterschiedlichen Perspektiven und kamen doch zum gleichen Ergebnis: Die Zukunft wird kontaktloser, selbst in Deutschland, und der Handel wird eine Schlüsselrolle spielen. Brötchen morgens beim Bäcker zahlt man kontaktlos mit der Girocard, die Rote Wurst beim Fußballspiel wird vor der Pause per App bestellt und bezahlt, das Netflix-Abo mit PayPal und das Getränk abends im Fitness-Center läuft über die Garmin-Uhr. Ist das Produkt erst digitalisiert, liegt das digitale Bezahlen nahe.

VISA und die deutschen Banken setzen selbstbewusst auf ihr weitverzweigtes Akzeptanzstellennetz im Handel, basiert am Ende des Tages doch jeder der beschriebenen Käufe auf dem Kartenvertrag. Entgegen der öffentlichen Wahrnehmung von Bargeld als des Deutschen liebstes Kind, entstand bei mir der Eindruck, dass diese Liebe durchaus nachlassen wird, zumal Internet und Smartphone für junge, nachkommende Generationen das Selbstverständlichste der Welt sind.

Neue Möglichkeiten

Innovative FinTechs bieten mittlerweile vielfältige Möglichkeiten für mobile Bezahlvorgänge und neuartige Dienstleistungen, die weit über den klassischen Zahlungsverkehr hinausgehen und den allgemeinen Lebenskontext der Kunden einbeziehen. E-Wallets sind nur eine Facette. Neue Geschäftsfelder ergeben sich im Internet of Things, der Vernetzung technischer Geräte. Zum Beispiel die virtuelle Verbindung zwischen privatem Stromerzeuger und -abnehmer, ergänzt um ein Abrechnungs-Tool zur Vergütung der Leistung. Gerhard Bystricky, UniCredit Bank AG, und Henri de Jong von Quantoz gaben hier in ihrem gemeinsamen Vortrag Einblicke, wie eine praktische Lösung aussehen kann. Fest steht: Welcher Anwendungsfall auch im Vordergrund steht, am Ende greift der Dienstleister auf die technische Plattform der Bank zu, um den Bezahlvorgang zwischen Kunde und Kunde oder Unternehmen und Kunde zu regeln. Also für die Banken kein Grund zur Aufregung? Nicht ganz.

Dr. Hermann Geupel von der Rubean AG ließ in seinem Vortrag jedenfalls keine Zweifel daran aufkommen, dass FinTechs viel daransetzen, kontaktlose Zahlungen mit Zusatznutzen, z.B. Treuepunkte sammeln, auf allen Plattformen (iOS, Android) zu bieten. Die Kunst wird sein, diese Apps schnell im deutschen Handel zu verbreiten. Gelingt das, kann eine echte Konkurrenz zu den herkömmlichen Karten-Verfahren entstehen. Und so gab es an dieser Stelle des Kongresses tatsächlich die hitzigste Debatte, während die übrigen Diskussionen weitgehend unaufgeregt verliefen: Werden in Zukunft beide Wege parallel existieren, oder kommen gar noch weitere Modelle auf den Markt? Es bleibt spannend zu beobachten, wohin der Weg geht.

PSD2 öffnet Türen

Brüssel regelt mit der PSD2 europaweit den Zugriff auf Zahlungskonten bei kontoführenden Instituten und es ist absehbar, dass ein Geflecht neuer Geschäftsbeziehungen entstehen wird: Banken müssen Zugriff auf Kunden- und Kontendaten bieten. Das ist technisch gesehen relativ einfach, weil Kreditinstitute für das Online-Banking bereits Schnittstellen (APIs) zu ihren Anwendungen haben. Kaufmännische und auch juristische Konsequenz ist, dass das Hauptgeschäftsfeld der Banken für andere Firmen zugänglich wird. Zumal die PSD2-Richtlinie auch Nicht-EU-ansässige Zahlungsdienstleister einbezieht. Damit rücken die US-amerikanischen Tech-Giganten, sprich GAFA, plötzlich sehr nahe.

Liegt die Gefahr für Banken am Ende des Tages möglicherweise gar nicht im klassischen Zahlungsverkehr, sondern in anderen, neuartigen Dienstleistungen? Werden Banken zu reinen Zahlungsabwicklern, verlieren dabei aber den direkten Kundenzugriff und damit die Macht über deren Daten – und kann es sein, dass dadurch attraktive Zusatzgeschäfte verpasst werden? Ja, ich glaube, diese Gefahr ist real. Die Vielfalt der Vorträge in Köln zeigte, wie viel Bewegung es bereits gibt. Exemplarisch dazu drei Beispiele:

  • Die apoBank konzentriert sich neben dem Ausbau ihrer Omnikanal-Strategie intensiv auf die Schaffung digitaler Mehrwertleistungen für ihre Kunden. Dabei fokussiert sie sich konsequent auf Angehörigen von Heilberufen, nimmt deren Perspektive ein und sucht nach digitalen Mehrwerten jenseits des Bankgeschäfts. Zum Beispiel durch ein Portal, das topaktuelle Informationen zum Medizinstudium bietet. Banking wird hier für den Kunden zur selbstverständlich funktionierenden Realität, darüber hinaus wird er in seinen Bedürfnissen ganzheitlich angesprochen. Dahinter steht ein Denkansatz, der sich vom klassischen Bank-Produktportfolio löst.
  • Die schweizerische HBL-Bank bietet ihr Kernbanksystem Drittunternehmen als Finanzdienstleistung an. Knackpunkt dabei: Der Dritte greift über APIs auf die HBL-Schnittstellen zu, muss die Informationen danach aber auch wieder sinnvoll an das eigene System andocken. Hier kommt die Firma NDIGIT ins Spiel, die für ein- und ausgehende APIs eine Zwischenschicht liefert, die sehr flexibel einsetzbar ist und so eine offene Finanzarchitektur ermöglicht. Erkenntnis aus Banksicht: Man muss bei Innovationen zur intensiven Zusammenarbeit mit technischen Dienstleistern bereit sein, eine strukturierte, vertrauensvolle Basis finden, die natürlich vertraglich abgesichert ist. Erkenntnis aus FinTech-Sicht: Es gibt viele Marktchancen, wenn man schnell und flexibel ist.
  • Die hamburgische Sutor Bank geht ähnliche Wege, auch sie überlässt ihr Kernbanksystem dritten Zahlungsdienstleistern als Plattform für Dienstleistungen. Die bisher umgesetzten Ideen sind ganz unterschiedlich und werden von den Kunden teilweise sehr gut angenommen. Für die Bank stecken viele Herausforderungen jedoch nicht so sehr in der konzeptionellen und technischen Umsetzung, sondern besonders in der juristischen Ausgestaltung der Verträge und Vereinbarungen zwischen den beteiligten Parteien. Hier wurde Neuland betreten in Bereichen, die man zunächst nicht erwartet hätte.

Zukunft des Zahlungsverkehrs

Mit Blick auf PSD2 war die Stimmung in Köln gelassen, die Banken haben ihre Hausaufgaben gemacht und die regulatorischen Anforderungen soweit erfüllt. Der klassische Zahlungsverkehr wird sich insgesamt weiter beschleunigen, Stichwort Instant Payments. Grundsätzlich kann man auf vorhandene Strukturen aufbauen, man fühlt sich gewappnet. Dass Kredit- und Girokarte gegenüber der E-Wallet und anderen GAFA-Zahlungsmethoden noch lange Bestand haben werden, bezweifelt niemand. Wie schnell letztere sich in Deutschland ausbreiten, wird die Zukunft zeigen.

Einen großen Wandel wird es bei den Mehrwertleistungen für Bankkunden geben. Hier sind der Kreativität kaum Grenzen gesetzt, und die Banken haben gute Chancen, sich am Markt zu positionieren – werden dabei aber stärker als bisher auf verlässliche technische Partner angewiesen sein. Die Bankenverbände agieren rege und konzentrieren sich auf den digitalen Ausbau der Kernkompetenzen. Die Kunst wird darin bestehen, den Kunden und seine Bedürfnisse nicht aus den Augen zu verlieren – gerade, weil man ihn vermeintlich schon so lange kennt.

 

Bildquelle: Shutterstock

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