Mobile Payment: Die zweite Maus bekommt den Käse

Anstatt Kooperationen mit Mobile-Payment-Anbietern zu schmieden, sollten sich die deutschen Banken auf ihre Stärken konzentrieren und eine gemeinsame Vision entwickeln.

Über den Vorstoß der Sparkassen in Richtung Apple wird kontrovers diskutiert, für beide Seiten gibt es schlüssige Argumente.

Mein Kollege Markus Behm hat das Engagement der Sparkassen in seinem letzten Blogbeitrag „Mobile Payment – eine Gefahr für den Zahlungsverkehr?“ als konsequent eingestuft – ich hingegen halte es für verfrüht. Aus meiner Sicht muss die deutsche Kreditwirtschaft zunächst ihre Position zu mobilen Zahlungssystemen überdenken und Grundsatzfragen klären:

  • Was passiert mit dem Girokartensystem?
  • Welche strategischen Allianzen sind denkbar und erstrebenswert?
  • Wie sehen adäquate, webbasierte und mobile Finanzdienstleistungen aus?
  • Welche Mehrwerte können in neue Zahlungswege integriert werden?

Gemeinsam stark

Hier sind keine Alleingänge gefragt, sondern eine einheitliche Vorgehensweise – basierend auf gemeinsamen Standards. Auf internationaler Ebene setzt sich beispielsweise die Initiative „Common Global Implementation“ (CGI), bestehend aus Banken, Unternehmen und Systemanbietern, für eine Standardisierung des weltweiten Zahlungsverkehrs ein. In Deutschland sind der Bundesverband deutscher Banken (BdB) und Die Deutsche Kreditwirtschaft (DK) die treibenden Kräfte; die Ausgestaltung übernimmt auf europäischer Ebene in erster Linie das European Payments Council (EPC). Beispielhaft für ein gemeinsames Vorgehen ist u. a. die weltweite Standardisierung des Zahlungsverkehrs nach der ISO-Norm 20022 XML.

Strategische Bedeutung des Zahlungsverkehrs erkennen

Neben der direkten Kundenberatung und Betreuung (Filialkontakt, Kundenkorrespondenz, etc.) ist der Zahlungsverkehr nach wie vor der Dreh- und Angelpunkt der Kundenbeziehung. Die Banken müssen verstehen, dass ihr Fokus nicht auf der Kontoführung liegen sollte, sondern auf der Beratung und dem Verkauf von Produkten, welche der Endkunde benötigt. Dazu gehört ein perfekt funktionierender Zahlungsverkehr. Da die vollständige Vereinheitlichung der SEPA-Formate auf europäischer Ebene noch auf sich warten lässt, müssen andere Lösungen gefunden werden. Denkbar wäre beispielsweise die Entwicklung intelligenter Formatparser oder die spezielle Stammdatenerweiterung im Bankrechner. Langfristig sinnvoller erscheint mir allerdings, sich die Vorteile des EBICS-Standards zunutze zu machen. Vorbild ist Frankreich – hier wird aus den mit EBICS übermittelten Country Codes die länderspezifische Formatausprägung abgeleitet und damit ein eigener Verarbeitungsweg initiiert. In Deutschland ist der Einsatz von Formatparametern nicht üblich; diskutiert wird daher die Einführung eines Issuer-Kennzeichens für EBICS. Dieses würde zu einem jeweiligen Geschäftsvorfall den Herausgeber des Formats und damit die Formatausprägung mitliefern. Ein Bankrechner wäre dann z.B. in der Lage zu erkennen, ob für die angegebene Formatkonstellation Vereinbarungen und Prüfregeln existieren. Bereits heute stellen wir im EBICS-Umfeld für zahlreiche Finanzinstitute diverse Dienstleistungen zur Verfügung und bieten somit eine Kommunikationsplattform – sowohl für den Austausch zwischen Bank und Bundesbank, sowie auch im Interbanken- und Kunde-/Bank-Umfeld.

Regulatorische Anforderungen als Wettbewerbsvorteil

Auch wenn es paradox klingt: Gerade die viel diskutierten regulatorischen Auflagen (z. B. PSD II, Datenschutz, MaRisk, AML) bieten Finanzinstituten eine gute Basis, um sich von den neuen Marktteilnehmern zu differenzieren. Sie können effektive Verarbeitungsmechanismen etablieren, bei gleichzeitiger Wahrung eines hohen Sicherheitsstandards. Welcher Online-Bezahldienst kann das aktuell von sich behaupten? Sollten die Technologiekonzerne weiter in den Markt für Bezahlsysteme und Finanzdienstleistungen vordringen, ist damit zu rechnen, dass die zuständigen Behörden darüber hinaus ein besonderes Augenmerk auf die Themen Datenschutz, Sicherheit und Betrugsabwehr legen werden.

Wachstumschancen nutzen

Mobile Bezahlverfahren gelten als Wachstumsgeneratoren – das Thema zu vernachlässigen kann sich kein Kreditinstitut leisten. So können beispielsweise die aus den Umsatzdaten gewonnenen Transaktionsinformationen eine optimale Basis für eine gezielte Kundenansprache und -bindung sowie zur Risikoreduzierung im Kreditportfolio bieten. Anstelle sich voreilig in Kooperationen mit neuen Marktteilnehmern zu stürzen, sollten sich die Banken ihrer Stärken bewusst werden und der Erwartungshaltung der Bankkunden Rechnung tragen, um einen gemeinsamen Weg zu finden, die Potenziale des Zahlungsverkehrs zu nutzen. Zwar fängt der frühe Vogel weiterhin den Wurm, allerdings bekommt oftmals die zweite Maus den Käse.

 

Bildquelle: Shutterstock

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