Banking von morgen: Welche Fische werden den Lebensraum der Wale bereichern?

Aktuell bewegt sich das Banking im Spannungsfeld aus Niedrigzinsen, Innovationen, neuen Playern und sich wandelnden Kundenansprüchen. Wohin treibt es?

Die Lage der Banken hat sich in den letzten Jahren deutlich verändert: Die Niedrigzinspolitik der EZB hat dieses Jahr ihren Höhepunkt erreicht. Strafzinsen für Einlagen bei der Zentralbank und historisch niedrige Zinsen im Kreditgeschäft machen den Banken das Leben schwer. Die Zinsmargen, die beispielsweise noch bei der Fristentransformation generiert werden, sind empfindlich zusammengeschrumpft.

Geschäftsbanken, Sparkassen und genossenschaftliche Institute müssen sich nach neuen Ertragsquellen umsehen, um nachhaltig erfolgreich wirtschaften zu können. Bisherige Anstrengungen, durch Produktvariationen im aktuell herrschenden Verdrängungswettbewerb zu obsiegen, führen nur zu kurzfristigen Effekten. Denn ein Girokonto von Bank A unterscheidet sich in seinen Grundzügen nicht von dem von Bank B oder C. Differenzierungspotenziale bieten da lediglich Service bzw. Funktionen oder die Konditionen. Und schafft es ein Anbieter hier, eine USP herzustellen, kann diese vom Wettbewerb schnell kopiert werden. Die bislang recht einträglichen Geschäftsmodelle der Banken sind an ihre Grenzen gestoßen.

Die Meere werden zunehmend unruhiger

Und ein weiterer Faktor bringt Unruhe in das Lebensreich der größten Meeresbewohner, der Wale. Neue Player sind am Markt erschienen und schwimmen in den gleichen Meeresströmungen. FinTechs, als einzelne kleine und flinke Raubfische, aber auch als noch nicht voll synchron schwimmende Schwarm-Protoypen, wollen die lebensfreundlichen Gewässer mit den begehrten Beutetieren erreichen. Aber auch große, bedrohlich wirkende Raubfische bewegen sich auf die Lebensbereiche der Banken zu. Die Internetgiganten Amazon, Apple, Google, Intuit & PayPal gründeten im November 2015 die Allianz Financial Innovation Coalition (FIN) mit dem Ziel, Innovationen im Bereich der Finanzdienstleistungen zu schaffen.

Apple Pay ist seit September 2014 in den USA am Markt, neben Großbritannien ist der Dienst gerade in der Schweiz und Frankreich gestartet, der Launch in Spanien ist ebenfalls angekündigt. Deutschland dürfte bald folgen. Als Gegenentwurf haben die deutschen Banken den Bezahldienst paydirekt ins Leben gerufen. Dabei geht es den Beteiligten weniger um die (eher spärliche) Marge im Zahlungsverkehr, sondern um ein viel wertvolleres Gut: Daten! Denn Daten aus Zahlungsvorgängen erlauben passgenaue Angebote für Finanzprodukte jedweder Art. Es lauert also die Gefahr, dass maßgeschneiderte Kredite oder Versicherungen künftig von Apple anstatt von der Hausbank offeriert werden.

FinTechs – die Innovatoren der Branche?

FinTechs machen vieles anders als traditionelle Banken. Sie picken sich lukrative Produkte aus deren Wertschöpfungskette, entwickeln alternative Vermarktungskonzepte und sprechen ihre Kunden auf eine neue Art und Weise an: einfache Sprache, übersichtliche Websites und oftmals wird der Interessent ganz einfach geduzt. Eine Kommunikation auf Augenhöhe soll ein neues Vertrauensverhältnis zwischen Finanzdienstleister und Kunde schaffen. Hinzu kommen Tools, die Sachverhalte verständlich illustrieren (z.B. die Wertentwicklungen von Anlagen) und selbstverständlich steht die Nutzung über mobile Endgeräte an erster Stelle der Zugangskanäle. Apps gehören zur Grundausstattung jeder FinTech-Lösung.

Und die Produkte – sind sie neu und innovativ? Schauen wir uns dazu eine Lösung aus dem Bereich der Anlageberatung an: Robo-Advisor. Sie stellen für den Kunden mehr oder weniger individuelle Portfolien zusammen, die in den allermeisten Fällen aus ETFs bestehen. Diese kostengünstigen Fonds sind jedoch keine Erfindung der FinTechs, sondern Standardware aus dem Reich der Banken. Lediglich die Beratung, sprich die Ermittlung des Rendite-Risikoprofils und die fortlaufende Depotüberwachung, unterscheidet sich grundsätzlich vom Beratungsansatz der etablierten Player. Beide Leistungen sind vollautomatisiert und leisten damit das, was bisher vermögenden Kunden im Private Banking vorbehalten war.

Dennoch werden es diese Tools in absehbarer Zeit nicht schaffen, die Anlagequote der Retail-Banking-Kunden deutlich zu steigern, sprich das Marktvolumen zu erhöhen. Vielmehr wird eine Verlagerung vom Private Banking hin zu Robo-Advisorn stattfinden. Durch ihren alternativen Vermarktungsansatz haben sie das Potenzial, die Branche zu verändern. Der Hebel sind innovative Services und Beratungsansätze – beim Bankprodukt an sich ist der Innovationsgrad allerdings als eher gering einzuschätzen.

Mit Innovationen oder Kostenführerschaft gegensteuern?

Banken, die ihre Position verteidigen oder ausbauen wollen, müssen auf die neuen Angreifer reagieren. Ein Weg ist, auf Innovationen zu setzen – sei es mit Eigenentwicklungen, White-Label-Produkten oder FinTech-Kooperationen. Ein anderer Ansatz führt – zumindest teilweise – über den Kostenhebel. Das könnte die klassische Einteilung der Banken in das Drei-Säulen-Modell (Geschäftsbanken, Spezialinstitute und Transaktionsbanken) theoretisch komplett verändern. Während die beiden Erstgenannten über direkten Kundenkontakt verfügen und für jedermann sichtbar sind, arbeiten Transaktionsbanken eher im Hintergrund: Sie führen beispielsweise die Depots, die für das Geschäftsmodell der Robo-Advisor benötigt werden, wickeln den Zahlungsverkehr für Bezahldienste ab und sind immer dort im Geschehen, wo FinTechs aufgrund fehlender Banklizenzen einen etablierten Partner brauchen.

Banken, die hochflexibel und vor allem kostengünstig die erforderlichen Transaktionen für FinTechs, aber auch andere Banken durchführen können, haben eine echte USP und große Chancen auf Wachstum. Denn sie waren wesentlich früher zu Innovationen bereit und haben ihre IT- und Prozesslandschaft zukunftsfähig und offen gestaltet. Heute sind sie die Kostenführer der Branche. Damit könnten die Transaktionsbanken zu den großen Profiteuren des FinTech-Booms zählen: Je mehr neue Konzepte und Ideen in den Markt gebracht werden, desto höher ist ihr Umsatzpotenzial.

Innovationen ja – aber wo, was und warum?

Fakt ist, dass es neue Ertragsmodelle braucht – ob man nun den Weg in Richtung Transaktionsbank wählt oder auf Innovationen aus dem FinTech-Lager bzw. den eigenen Reihen setzt.  Denn mit Zinsmargen ist kein Geld mehr zu verdienen. Die große Frage, die offen bleibt: In welchen Bereichen schlummern lohnende Geschäftsmodelle bzw. wo ergeben Innovationen überhaupt Sinn? Hier ist der Markt der zentrale Indikator: Wie ist der Wettbewerb aufgestellt, wo kann durch eine Innovation eine USP generiert und möglichst langfristig gehalten werden? Allerdings ist selbst die beste Idee zum Scheitern verurteilt, wenn der Kunden keinen Mehrwert sieht. Und genau hier liegt die Schwierigkeit, die seinerzeit bereits Henry Ford erkannte: „Wenn ich meine Kunden gefragt hätte, was sie wollen, hätten sie gesagt: schnellere Pferde.“

Mit Orientierung die Angst vorm Scheitern überwinden

Unternehmerischer Mut ist das, was das Automobil auf die Straße gebracht hat. Voraussetzung dafür ist eine Kultur des Scheiterns – Fehler müssen erlaubt sein, denn nur aus ihnen kann man lernen. Das Innovationshemmnis Nr. 1 bei deutschen Bankern ist die übermächtige Angst, mit einer Innovation baden zu gehen. Entsprechend groß sind die ungenutzten Potenziale. Wie groß, zeigt der Innovation Report Banking.

Er beleuchtet:

  • die Innovationsaktivitäten im Retail Banking
  • und aktuelle Entwicklungen im FinTech-Markt

und vervollständigt das Bild durch:

  • eine Expertenbefragung von Bankern und FinTech-Akteuren
  • sowie eine umfangreiche Kundenbefragung.

Das Ergebnis ist ein scharfes Bild in Bezug auf Innovationsgaps und lohnende Investments. Der Report erscheint Ende August. Ich werde Ihnen an dieser Stelle dann einige der Ergebnisse ausführlicher darstellen.

Bildquelle: Shutterstock

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