Künstliche Intelligenz & Digitalisierung – die Versicherung für die Assekuranz?

Wie soll sich die Versicherungswirtschaft in Zukunft positionieren und welche neuen Produkte, Ideen und Ansätze sind möglich?

Im September steht ein Termin ganz fest in meinem Kalender: der Partnerkongress der Versicherungsforen Leipzig. Auch in diesem Jahr diskutierten hier mehr als 300 Branchenvertreter über Trends, Innovationen und Herausforderungen der Assekuranz. Besser spät als nie möchte ich an dieser Stelle noch eine kleine Zusammenfassung meiner persönlichen Highlights nachliefern.

Ein Blick in die Zukunft

Auf dem Partnerkongress werden die aktuellsten Themen der Branche beleuchtet und so durfte ein Hype-Thema auch in Leipzig nicht fehlen: die Digitalversicherer. Gleich sechs neue Player stehen in den Startlöchern. In der Eröffnungskeynote stellte John-Paul Pieper mit nexible einen davon vor. Der digitale Spin-off der ERGO will mit einem agilen Team die Komplexität traditioneller Versicherer auflösen und sich ganz auf den Kunden fokussieren. Insgesamt eine sehr spannende Entwicklung, die mein Kollege Wigbert Tabarelli in seinem Beitrag „InsurTech: Die Turnschuhe sind im Reich der Anzüge angekommen“ kürzlich ausführlich beleuchtet hat.

Mit Sharing Economy, Cyber Security & Cyber Crime sowie Artificial Intelligence (AI) standen drei weitere vieldiskutierte Themen auf der Agenda. Mein Interesse galt dabei vor allem technologischen Aspekten und damit der Künstlichen Intelligenz (KI). Besonders interessant fand ich dabei den Vortrag „Artificial Intelligence & Chatbots für verändertes Kundenverhalten“ von ERGO und der Open-Source-Plattform für künstliche Intelligenz Rasa. Ziel der Zusammenarbeit ist es, den Kundenservice mittels KI zu unterstützen, um eine bessere Kundeninteraktion anzubieten. Aus meiner Sicht sind Chatbots gepaart mit AI, also „Artificial Coworker“, gerade für den Produktvertrieb und für den Follow-the-Sun-Support eine interessante Option: Sie arbeiten 24 Stunden ohne Pause und sind auch bei Reklamationen und wiederkehrenden Fragen nicht aus der Ruhe zu bringen – sprich immer sachlich und hilfsbereit.

Die den ersten Veranstaltungstag abschließende Podiumsdiskussion „Next Monday morning: die Arbeitswelt und der Vertrieb der Zukunft“ stand unter der Frage, wie sich die Arbeitswelt – gerade im Hinblick auf neue Technologien – wandeln wird. Jens Ringel, Geschäftsführer der Versicherungsforen begrüßte dazu Sybille Arnegger (Deutsche Bank), Martin Fleischer (Bavaria Direkt), Dr. Errit Schlossberger (Unternehmen mit Zukunft) sowie Bastian Unterberg (jovoto) auf dem Podium. Auf besonderes Interesse stieß dabei die Kooperation der Deutschen Bank mit der Kreativ-Plattform jovoto. Diese soll für das Kreditinstitut gleich mehrere sogenannte „Crowdstorms“ steuern – mit dem Ziel, aus einem Pool von rund 100.000 Ideengebern des jovoto-Netzwerks spannende und innovative Lösungen für das „neue Banking“ zu kreieren. Ein besonderes Augenmerk wird dabei auf dem Thema KI liegen.

Start-up-Pitch um den Rockstar Award

Als ich vor zwei Jahren über den Partnerkongress berichtete, kam ich zu dem Fazit, dass sich die Versicherer der Herausforderungen der Digitalisierung durchaus bewusst sind, der Begriff FinTech bzw. InsurTech bisher aber nur wenig fällt. Seitdem hat sich eine Menge getan: Der InsurTech-Markt verzeichnet ein starkes Wachstum und die Investitionen fließen – und so wurde in Leipzig konsequenterweise zum ersten Mal auch ein Start-up-Wettbewerb ausgelobt: der Rockstar Award. Elf vom Organisator ausgesuchte Insur-, Health- und LegalTechs buhlten in einem Elevator Pitch um die Gunst der Gäste. Unter den Teilnehmern waren sowohl bekannte Namen wie der Online-Vermögensverwalter Scalable Capital aber auch mir bis dato unbekannte Start-ups. So z.B. WirkaufendeinenFlug.de, ein Unternehmen, das sich auf Entschädigungen im Zuge von Flugverspätungen spezialisiert hat. Nachfolgend möchte ich auf drei Pitches eingehen, die mir besonders im Gedächtnis geblieben sind.

  1. Insurance on demand: Hanna Bachmann, Co-Founderin von Hepster, stellte den situativen Versicherungsschutz des Start-ups vor. Der Kunde kann einfach und bequem, v.a. aber unkompliziert per Klick, eine Versicherung abschließen. Individuell und ohne eine direkte Bindung an einen Versicherer: Im Urlaub noch schnell das teure Snowboard versichern, bevor man zum Mittagessen in die Berghütte geht oder die Taucherausrüstung bevor man in See sticht. „Die maßgeschneiderte Versicherung für den Individualisten“ – verspricht Hanna Bachmann.
  2. Ebenso interessant war der Pitch von Dr. Viktor Becher von Getsurance. Das Unternehmen hat im Juni die erste digitale Berufsunfähigkeitsversicherung gelauncht – bis Ende des Jahres soll das Portfolio zudem um ein digitales Risikolebensversicherungsprodukt ergänzt werden. Ich weiß, dass hier einige Versicherer Getsurance gerne den Rang ablaufen würden. Es bleibt spannend, wer das Rennen gewinnen wird.
  3. Strahlender Sieger und damit der gekrönte Rockstar ist Dr. Paul Brandenburg, Geschäftsführer von DIPAT Die Patientenverfügung. Damit hat eine innovative Lösung für ein gängiges Problem das Rennen gemacht. Und daran erkennt man wieder einmal: Je einfacher und verständlicher ein Produkt ist, desto schneller wird es am Markt angenommen. Nimmt man die einstimmige Wahl zum Sieger als Grundlage, müsste das Produkt ein Topseller werden.

Vermisst habe ich im Rahmen des Rockstar Awards InsurTechs, die sich im Bereich Call Center und Prozessautomation beheimatet fühlen. Hier sind beispielhaft virtualQ oder ServiceOcean zu nennen.

Miteinander stark

Auch 2017 war der Partnerkongress der Versicherungsforen Leipzig ein Branchentreff, der das Miteinander fördert und die Grenzen zwischen den einzelnen Versicherern verschwimmen lässt. Von einem Konkurrenzkampf wollte keiner sprechen. Und auch Kooperationen zwischen etablierten und neuen Playern sind immer häufiger zu beobachten.

Es wurden wichtige Zukunftsthemen diskutiert, auch wenn mir persönlich der Aspekt der „Sprache“ gefehlt hat. Und zwar mit Blick auf eine gezielte Stimmanalyse für mehr Absatz und Kundenzufriedenheit. Gerade hier sehe ich – gestützt durch Gespräche mit Vertretern aus den Versicherungen – ein sehr großes Potenzial für ein deutliches Umsatzwachstum. Übrigens auch ein naheliegendes Einsatzszenario für „Artificial Coworker“.

Insgesamt lässt sich konstatieren, dass sich die Assekuranzen augenscheinlich gezielt auf die neuen Herausforderungen einstellen – auch wenn sich die Innovationskraft der einzelnen Player natürlich nur schwer beurteilen lässt. Die oft vorgebrachte Einschätzung, die Branche sei zu langsam und ihr mangle es an Agilität, kann ich an dieser Stelle nicht unterschreiben: In Leipzig zeigten sich die Versicherer sehr agil und versprühten zudem jede Menge Gründergeist.

Was denken Sie – was wird der neue Hype werden? Ist die Versicherungswirtschaft agil genug, aktuellen Trends mit Innovationen zu begegnen?

 

Bildquelle: Shutterstock

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