Der Stein der Weisen oder nur ein Hype – kann die Blockchain den Banken helfen?

Wo man auch hinschaut: Die Blockchain wird als die Innovation schlechthin in der Finanzindustrie gepriesen. Kosten sollen gesenkt werden, Geschäftsmodelle revolutioniert und Finanzbeziehungen grundlegend neu gestaltet.

Da ist sie also, die Rettung der siechenden Finanzbranche. Die Blockchain wird es richten! Technologische Basis der Kryptowährung Bitcoin, der schillerndsten Spekulationsblase seit den holländischen Tulpen im 17. Jahrhundert.

Ein brillantes Konzept, ohne Zweifel, das es prinzipiell ermöglicht, Transaktionen zu verifizieren und Eigentumsverhältnisse zu dokumentieren, ohne eine zentrale Institution dafür zu benötigen. Und sofort kommen die Ideen: Man könnte Transaktionen unter Einsatz dieser Technologie abwickeln und im Zahlungsverkehr oder im Wertpapierhandel noch einmal massiv Kosten einsparen. Man könnte darüber Verträge abschließen, deren Erfüllung automatisch überwacht wird und die Kosten in der sogenannten Marktfolge von Banken reduzieren. Und noch manches mehr kann man sich vorstellen.

Blogserie: Zwischen rückläufigen Erträgen und technologischen Revolutionen – Optionen für Banken in der Nullzinsära

Fakten jenseits des Hypes

Wer sich der Euphorie nicht anschließt, setzt sich dem Verdacht aus, den bislang größten Technologie-Trend des 21. Jahrhunderts zu ignorieren. Es werden gar Vergleiche mit dem Potenzial des Internets gezogen. Ich möchte mich jenseits des Hypes erst einmal mit den Fakten der Blockchain beschäftigen. Wie der Name schon nahelegt, werden hier Vorgänge innerhalb eines in sich geschlossenen Systems, das aber keine Zutrittsbarrieren nach außen hat, miteinander verkettet. Mathematische Algorithmen sorgen dafür, dass die eingetragenen Sachverhalte von vielen Systemmitgliedern überprüft und verifiziert werden.

Im ursprünglichen Anwendungskontext von Bitcoin dokumentiert die Blockchain die Erzeugung neuer Bitcoins und deren Eigentumsübergang von einer IP-Adresse an eine andere in einer Art Transaktionsjournal. Sie dient also der Dokumentation von Eigentumsverhältnissen und der Übertragung von Eigentum und das offenbar nahezu kostenlos. Das sind doch die Vorgänge, mit denen Banken im Zahlungsverkehr, im Wertpapierhandel, im Geld- und Devisenhandel zu tun haben. Lassen sich hier also nicht teure Abwicklungssysteme einsparen und damit Transaktionskosten drastisch senken? Die einfache Antwort darauf lautet ja, aber…

Vier Hürden, die die Blockchain meistern muss

1. Der Betrieb der Blockchain ist auch heute schon nicht kostenlos. 

Das Bitcoin-System benötigt für den Betrieb der beteiligten Rechner eine Menge Strom. Wie viel das ist, darüber wird viel und gern gestritten. Meinen Recherchen zufolge behaupten Kritiker, es handele sich um den Strombedarf einer Großstadt, während dem Projekt Wohlgesonnene abwiegeln, es wäre wohl eher der einer Kleinstadt. Nennenswert ist der Strombedarf allemal. Finanziert wird dies im Wesentlichen über die Gewinne durch die erzeugten Bitcoins und nur zu einem Bruchteil über Gebühren für Transaktionen mit Bitcoins. Allen Beteiligten ist klar, dass hier eine völlige Umorientierung nötig ist, wenn keine zusätzlichen Bitcoins mehr erzeugt werden können, weil alle bereits im Umlauf sind. Eine Blockchain ohne Bitcoin muss dies von vornherein anders lösen, weil keine externen Erlöse vorhanden sind. Ob das dann teurer oder billiger ist als bisherige Transaktionssysteme z.B. im Zahlungsverkehr, lässt sich zurzeit nicht seriös beantworten.

2. Die Blockchain wächst mit jeder Transaktion an. 

Das aktuelle Volumen der Bitcoin-Blockchain liegt bei etwa 71 GB. Es hat sich in den vergangenen beiden Jahren verzehnfacht und wächst exponentiell. Das dahinterliegende Mengengerüst sind gut 20.000 Transaktionen pro Tag. Wer das Volumen im deutschen Zahlungsverkehr kennt und das auf eine Blockchain z.B. für die Banküberweisungen hochrechnet, dem wird schlagartig klar, dass dies nicht eins zu eins übertragen werden kann. Das Konzept ist für diese Größenordnungen nicht ausgelegt und nicht geeignet. Das disqualifiziert die Blockchain nicht grundsätzlich für einen Einsatz, aber es ist klar, dass dieser frühestens in einigen Jahren erfolgen kann.

3. Die dritte Baustelle ist juristischer Natur. 

Heutige Verträge unterliegen einem bestimmten Recht, unter dem sie abgeschlossen wurden. Die Blockchain ist eine Technologie, mit der Vereinbarungen unmittelbar umgesetzt und durchgesetzt werden. Daher benötigt sie auch keinen Rechtsrahmen, sondern macht vielmehr rechtliche Institutionen, wie wir sie heute kennen, überflüssig – behaupten zumindest die Befürworter. Man muss nur die Folgen der Pleite der seinerzeit größten Bitcoin-Börse Mt. Gox in Japan im Februar 2014 betrachten, um zu sehen, dass dies eine mehr als nur naive Sicht der Problematik ist.

Die Blockchain braucht keine rechtlichen Institutionen – wenn sie funktioniert. Aber bei eingehaltenen Verträgen werden auch heute schon keine Gerichte benötigt. Nur wenn es Streit zwischen Vertragspartnern gibt, ist dies der Fall. Es ist schon richtig, dass die Blockchain bestimmte Arten von Streitigkeiten a priori eliminiert. Aber es ist eine Illusion zu glauben, es würde gar keine Auseinandersetzungen geben. Dann stellt sich aber die dringende Frage nach dem gültigen Rechtsrahmen: Das Recht welchen Landes gilt? Sind die Gesetze geeignet für die aufkommenden Fragen?

4. Und last but not least stellt sich die Frage der Sicherheit. 

Der Einbruch in das SWIFT-System der Nationalbank von Bangladesch unlängst hat gezeigt, dass die Aussicht auf große Beute dazu führt, dass Kriminelle auch hohe technische Hürden überwinden. Schließlich darf das SWIFT-System aufgrund der hohen Proprietät und dem regulierten Zugang als relativ sicher gelten.

Wenn aber in einer öffentlichen Datenbank wie einer Blockchain möglicherweise das Eigentum über Milliarden oder sogar Billionen von Euro quasi verbrieft ist, dann ist die Anziehungskraft auf kriminelle Subjekte unglaublich hoch. In Fragen der IT-Sicherheit ist der Verteidiger immer im Nachteil, weil er nicht weiß, wo der Angreifer attackiert. Es erscheint mir unvermeidlich, dass es zu Einbrüchen in das System kommen wird. Dann sind wir wieder bei den juristischen Fragen aus dem vorigen Absatz, aber auch bei den Fragen nach Schadensersatz.

Die Blockchain wird kurz- und mittelfristig keine Probleme lösen

Mein Fazit: Die Idee ist faszinierend, aber die offenen Fragen und Bedenken sind so gewaltig, dass kurz- und mittelfristig nur Pilotprojekte mit der Blockchain denkbar sind. Ob sie überhaupt für die großen Transaktionsvolumina im Zahlungsverkehr oder Wertpapierhandel geeignet ist, ist keineswegs ausgemacht. Die Architektur muss zumindest angepasst werden.

Für die heutigen Kostenprobleme der Banken ist sie auf jeden Fall kein Lösungsansatz, denn die sind kurz- und mittelfristiger Natur. Die Blockchain hat langfristig Potenzial, wohl weniger im Massengeschäft, aber in den zahlreichen Nischen der Finanz- und Kapitalmärkte. Im nächsten Beitrag werde ich mich mit möglichen Anwendungsfällen für die Blockchain beschäftigen.

 

Bildquelle: Shutterstock

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