Zukunft der Blockchain II: Komplexe Verträge mit kleinen Stückzahlen

Dezentralisierung und Selbstorganisation: Die Chancen der Blockchain liegen in Smart Contracts, die Abläufe vereinfachen und beschleunigen.

Im Zahlungsverkehr ist die fehlende Skalierbarkeit ein Showstopper für die Blockchain – das habe ich letzte Woche ausgeführt. Anders sieht die Welt beim Thema Smart Contracts aus. Vor allem überall dort, wo derivative Instrumente zur Absicherung von Risiken zum Einsatz kommen, bieten sich attraktive Ansatzpunkte:

Versicherer nutzen sie, um sich gegen überbordende Schäden aus Naturkatastrophen abzusichern, Banken, um das Zinsänderungsrisiko zu steuern, Investoren sichern sich mit ihnen gegen Ausfallrisiken ab. Swaps und OTC-Derivate sind aus der Finanzwelt nicht mehr wegzudenken. Sie sind hochflexibel und können auf jede Situation zugeschnitten werden. Allerdings sind sie aufwändig in der Verwaltung und ziehen komplexe Prozesse im Backoffice nach sich. Die Blockchain könnte Abhilfe schaffen, denn wir sprechen hier von überschaubaren Stückzahlen und das prädestiniert sie für den Einsatz von intelligenten Verträgen.

Smart Contracts im Testlauf

Ob Versicherer oder Banken, fast alle großen Player auf den Finanzmärkten setzen sich aktuell mit den Möglichkeiten der Blockchain im Allgemeinen und Smart Contracts im Besonderen auseinander. Nicht selten mit der Unterstützung agiler FinTechs. So hat die Deutsche Bank in ihrem Londoner Innovation Lab bereits 2015 einen erfolgreichen Test mit Unternehmensanleihen abgeschlossen, die auf einer Blockchain als Smart Bonds implementiert waren. Die Technologie erfülle die Erwartungen, ließ die Bank damals wissen.

Im Oktober 2016 hat ein internationales Konsortium namhafter Unternehmen der Finanzbranche (z.B. Citigroup Inc., Credit Suisse, Barclays Bank und JPMorgan Chase & Co.) unter der Federführung des weithin unbekannten Start-ups Axoni über ein erfolgreiches Pilotprojekt berichtet, bei dem insgesamt acht Unternehmen miteinander OTC Equity Swaps gehandelt haben. Diese in der Praxis u.a. für Unternehmensübernahmen genutzten Finanzinstrumente zeichnen sich heute durch eine komplexe Abwicklung aus, bei der z.B. fortlaufend Mark-to-Market-Bewertungen stattfinden, Marginzahlungen fällig werden und in Abhängigkeit der relevanten nationalen Regelungen der Aufsichtsbehörden Corporate Actions als Pflichtmitteilungen vorzunehmen sind. Bislang ist es in diesem Segment üblich, dass Marktteilnehmer dafür proprietäre Systeme mit proprietären Datenformaten einsetzen. Dies hat unweigerlich zur Folge, dass für den Handel mit verschiedenen Kontrahenten auch ebenso viele verschiedene Schnittstellen entwickelt, getestet und aktuell gehalten werden müssen. Neben dem administrativen Aufwand sind solche Konstellationen ein Auslöser von zahlreichen Fehlern. Aufwändige und damit teure Abstimmungsvorgänge sind unumgänglich.

Dies könnte der Vergangenheit angehören, wenn die Swap-Transaktionen für eine bestimmte Aktie künftig auf einer Blockchain abgebildet werden. Ist diese mit einer eigenen Programmiersprache zur Erstellung von Applikationen ausgestattet, dann könnten alle Ereignisse im Lifecycle des Swaps (einschließlich der daraus resultierenden Transaktionen) innerhalb der Blockchain mit implementiert werden. Im hier vorgestellten Beispiel haben die Partner insgesamt 133 Testfälle durchgespielt, die alle erfolgreich absolviert wurden.

Vertrauen durch Dezentralisierung

Bereits jetzt ist festzustellen: Die Verwaltung solcher Verträge lässt sich mit Hilfe der Blockchain vereinfachen und deutlich beschleunigen. Hinter diesen Anwendungen in Form von intelligenten Verträgen stehen zwei Schlüsselbegriffe: Dezentralisierung und Selbstorganisation. Die eingesetzte Technologie ist besonders manipulationssicher, da nicht mehr eine Instanz, sondern viele dezentrale Instanzen Veränderungen verifizieren. Das Vertrauen ist somit ein integraler Vorteil der Technologie und macht neben zentralen Prüfinstitutionen auch zeitaufwändige Prüfprozesse in den Workflows der beteiligten Geschäftspartner überflüssig.

Wenn es um das disruptive Potenzial der Blockchain geht, dann vertreten heute manche den Standpunkt, dass das, was das Internet für die Kommunikation ist, die Blockchain für die Transaktionen sein kann. Zumindest dort, wo wir es mit einer überschaubaren Anzahl von Einzeltransaktionen zu tun haben, kann sich dies bewahrheiten. Dort kann das dezentrale Vehikel Blockchain das Geschäftsmodell zentraler Plattformen auflösen, die heute noch ein Quasi-Monopol haben. Wenn Geschäftspartner sich gegenseitig vertrauen können, verschwindet der Nutzen und damit die Existenzberechtigung der zentralen Plattformbetreiber.

Frisst die Blockchain die heute Erfolgreichen?

Technologieanbieter spielen in diesem neuen Spiel mit, aber auch die Betreiber von Multi-Sided Platforms tummeln sich häufig in diesem Umfeld. Schließlich geht es um nichts weniger als ihre Existenz. Neben arrivierten Vertretern wie etwa den großen Börsenbetreibern sind dies auch die neuen Stars der Digitalisierung – von Airbnb über Uber bis zu Ebay. Gut möglich, dass es diesen neuen (Erfolg-)Reichen ähnlich geht wie anderen längst Vergessenen aus der Zeit der geplatzten Dotcom-Blase nach dem Jahrtausendwechsel: Die Zukunft könnte für sie schneller vorbei sein als gedacht.

 

Bildquelle: Shutterstock

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