Zukunft der Blockchain I: Skalierbarkeit als Showstopper

Revolutioniert die Blockchain die Finanzwelt? Ich sage: Nicht im Zahlungsverkehr.

Das Grundprinzip der Blockchain ist ja mittlerweile allenthalben bekannt: Mit der Technologie lassen sich digitale Rechte oder Werte zwischen verschiedenen Parteien austauschen – und zwar ohne eine zentrale Bestätigungsinstanz. Stattdessen wird ein spieltheoretischer, automatisierter Ansatz genutzt, der das Betreiben des Netzwerks und die Bestätigung gültiger Transaktionen den Nutzern überlässt.

Erfunden wurde die Blockchain im Zusammenhang mit der Krypto-Währung Bitcoin. Dort ermöglicht sie das Bezahlen mit Bitcoins und die Bestätigung von Transaktionen zwischen beliebigen Beteiligten.

Vor dem Paradies kommt die Realität

Wenn für die Verifizierung von Transaktionen nun keine zentrale, vertrauenswürdige Einrichtung mehr nötig ist, dann prophezeit so mancher technikaffine Zeitgenosse den großen Umbruch bei den heute im Einsatz befindlichen Systemen zur Abwicklung von Zahlungen. Geradezu paradiesisch anmutende Zustände mit höchsten Geschwindigkeiten und vernachlässigbaren Kosten werden in Aussicht gestellt.

Dies wird aber schon an der schieren Anzahl der Vorgänge scheitern. In Deutschland wurden 2015 ca. 19 Milliarden elektronische Zahlungstransaktionen in Form von Überweisungen, Lastschriften, Kreditkartenzahlungen usw. durchgeführt. Das entspricht etwa dem 200-Fachen der weltweiten Bitcoin-Transaktionen im abgelaufenen Jahr. Die zugehörige Blockchain umfasst heute bereits deutlich über 100 GB – überträgt man dies auf die Abwicklung des allgemeinen Zahlungsverkehrs in Deutschland, so würden sich völlig utopische Dimensionen im Tera- oder gar Petabytebereich für die Blockchain ergeben. Hier erweist sich die fehlende Skalierbarkeit als knallharter Showstopper.

Die Blockchain jenseits des Zahlungsverkehrs

Während Bitcoin-ähnliche alternative Geldsysteme ohne Blockchain nicht funktionieren, ist es sehr wohl möglich, die Blockchain-Technologie auch außerhalb des Zahlungsverkehrs einzusetzen. Entwicklungen der Technologie haben ja bereits zu programmierbaren Blockchains geführt, auf welchen Applikationen, sogenannte smarte Verträge (Smart Contracts), implementiert werden können. An der Schnittstelle von Wirtschaft, Informatik und den Rechtwissenschaften ergeben sich so vollkommen neue Möglichkeiten.

Smarte Verträge sind IT-Anwendungen mit unterliegenden Wertübertragungen, die sich unter Bereitstellung hoher Sicherheit selbst durchführen. Entsprechend rückt die Technologie in den Fokus verschiedenster Branchen: So ergibt die Verknüpfung von Bankensoftware und Telematikanwendungen in der Automobilbranche z.B. die Vision eines Kreditvertrags, der – als Smart Contract implementiert – die Ratenzahlung steuert und bei Ausbleiben von fälligen Raten automatisch das Fahrzeug blockiert. Während der Kreditgeber sich heute mühsam mit dem säumigen Zahler auseinandersetzen muss, verspricht der skizzierte Fall eine quasi automatische Regulierung, da das kreditfinanzierte Gut, hier das Auto, nicht mehr genutzt werden kann, wenn der Kreditvertrag nicht eingehalten wird.

Administrative Prozesse verschlanken und verbilligen

Nun kann man sicher darüber diskutieren, ob es nicht möglich wäre, die Blockade des Fahrzeugs auszuhebeln, so dass der Kreditgeber doch schneller im Regen stehen würde, als ihm lieb ist. Auch gibt es eine Reihe rechtlicher Detailfragen zu klären, z.B. wenn das Auto in der fraglichen Zeit in einen anderen Rechtsraum bewegt wird. Zumal das Desaster bei Ethereum gezeigt hat, dass die Kinderkrankheiten der Smart Contracts noch lange nicht ausgestanden sind – hier wurde das System regelkonform ausgehebelt und ein größerer Geldabfluss ausgelöst. Dies sind Herausforderungen, die ohne Frage gelöst werden müssen, von denen man sich aber nicht den Blick für die tatsächlichen Möglichkeiten der Technologie verstellen lassen sollte. Anwendungsfälle wie der oben skizzierte haben deutlich kleinere Fallzahlen als der Zahlungsverkehr und sind damit grundsätzlich realisierbar. Auch wenn sie aus heutiger Sicht streckenweise noch als Vision erscheinen mögen.

Immer dann, wenn Finanzkontrakte mit komplexen rechtlichen Vereinbarungen und einer klar überschaubaren Laufzeit abgeschlossen werden, die in Abhängigkeit von eintretenden Ereignissen während der Laufzeit bestimmte Zahlungen und Transaktionen auslösen, kann die Blockchain administrative Prozesse enorm verschlanken und verbilligen. Dies bezieht sich auf den gesamten Lifecycle – vom Abschluss über die Bestätigung bis zum Settlement. Besonders interessant ist die Blockchain überall dort, wo derivative Instrumente zur Absicherung von Risiken zum Einsatz kommen. Ein Themenkomplex, den ich nächste Woche an dieser Stelle ausführlicher beleuchten werde.

 

Bildquelle: Shutterstock

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