Wo bleiben die “jungen Wilden”? Teil 2 einer Bestandsaufnahme nach zehn Monaten PSD2

In unserer ersten Bestandsaufnahme haben wir festgestellt, dass nach zehn Monaten PSD2 die große Revolution im Zahlungsverkehr bisher ausgeblieben ist. Es gibt noch keine neuen Zahlungsdienstleister, die den Markt nachhaltig verändert haben.

Liegt dies vielleicht (auch) daran, dass seitens der Banken noch nicht ausreichend PSD2-konforme Schnittstellen zur Verfügung gestellt werden? Die EU verlangt die Umsetzung erst bis zum 14. September 2019. Wir haben uns bei 21 Retailbanken der DACH-Region umgesehen: Welche APIs stellen sie heute bereit und wie gehen sie mit den PSD2-Anforderungen um?

Was bisher geschah

Schaut man sich heute bei den Retailbanken der DACH-Region nach öffentlich zugänglichen Dokumentationen der Schnittstellen um, macht sich schnell Ernüchterung breit. Egal, ob Direktbanken wie die DKB, die Consorsbank und die ING-DiBa oder Filialbanken wie die Commerzbank und TARGOBANK – das Angebot ist sehr überschaubar. Das gleiche gilt für Banken in Österreich und der Schweiz wie z.B. die BAWAG, die Credit Suisse oder die Zürcher Kantonalbank. Lediglich bei einer deutschen Filialbank, der Deutschen Bank, konnten wir hierzu Informationen finden:

Auf dem eigenen Developer Portal wird der interessierte Entwickler fündig. Die Services, die hier zur Verfügung gestellt werden, gehen weit über die Mindestanforderungen hinaus – Kundendaten werden in verschiedenen Databundels maßgeschneidert angeboten. So wird unter „Accountinsights“ z.B. ein Einblick in sämtliche Einnahmen und Ausgaben des Kunden gewährt. Ideen, wie diese Daten genutzt werden könnten, werden gleich mitgeliefert:  „Analysieren Sie die Ausgaben und Ertragsmuster eines Kunden, um ihm zu helfen, intelligentere Kaufentscheidungen zu treffen. Sie können auch Kunden mit Anbietern verbinden, die für ihren Lebensstil und ihre Interessen relevant sind.“ Hier geht es nicht mehr nur um schnelle Bonitätsprüfungen, sondern um eine umfassende Finanzberatung (z.B. per Personal Finance Management) sowie datengetriebenes Cross-Selling.

Know-your-Customer-konforme Identitätsprüfungen werden mit dem Zusatzservice der automatisierten Datenübernahme angereichert und der Drittanbieter kann theoretisch mit nur einem Klick eine rechtsverbindliche Kontoeröffnung durchführen und zwar ohne sämtliche personenbezogenen Daten manuell erfassen zu müssen. Lediglich ein eindeutiges Credential wie die IBAN des Deutsche Bank Kontos und selbstverständlich die Einwilligung des Kunden sind hierfür nötig. Wird nur eine Prüfung der Volljährigkeit benötigt, kann diese über das Produkt „Age Certificate“ erfolgen.

Neben diesen bereits verfügbaren APIs, gibt es ein weiteres Angebot, das sich allerdings noch in der Simulationsumgebung befindet. Hier kann zwar getestet werden, aber „Live-Daten“ sind noch nicht abrufbar. Zu diesem Angebot gehört das API-Produkt „Customer Solvency“, welches einen Bonitätsscore liefern soll. Mit „Transaction Cerificate“ soll der Gehaltsnachweis einfach abrufbar sein. Kunden müssen beim Kreditantrag am POS oder bei der Bewerbung um eine Mietwohnung dann z.B. keine papierhaften Gehaltsabrechnungen mehr vorlegen. Eine Benachrichtigungsfunktion kann mit dem Produkt „Transaction Notification“ abonniert werden, d.h., Drittanbieter erhalten für ausgewählte Transaktionen Push-Benachrichtigungen und müssen nicht immer wieder eine API-Abfrage starten.

Zudem finden sich auf dem Developer Portal noch zwei Produktankündigungen ohne konkreten Zieltermin: „Investments“, das die Einbindung des Deutsche-Bank-Investments in andere Anwendungen unterstützen soll und „Credit Cards“, das über Zahlungsvorgänge mit der Kreditkarte informieren soll.

Die Strategie der Deutschen Bank

Genutzt wird die Deutsche Bank API z.B. bereits von Finanzguru, eine App die Multibanking unterstützt und eine Auswertung der Einnahmen und Ausgaben aller Konten und Verwaltung von Verträgen in Form eines Haushaltsbuches leistet. Leider ist das Preismodell der API-Produkte nicht öffentlich zugänglich. Das ist besonders schade, da das umfassende API-Produktangebot der Deutschen Bank einen nicht unwesentlichen Bestandteil des Plattform-Konzeptes darstellt.

Das Institut hat sich schon vor einiger Zeit von der „Produkthoheit“ gegenüber ihren Kunden verabschiedet und bietet ganz offensiv auch Fremdprodukte an – z.B. über das Produkt „Zinsmarkt“. Über den Erfolg dieser Strategie äußerte sich erst kürzlich der Digitalchef des Hauses, Markus Pertlwieser, auf finanzszene.de: „Voraussichtlich Anfang Oktober werde die Einlagenplattform die 500-Mio.-Euro-Marke durchbrechen.“ Die Deutsche Bank verdient mit diesem Einlagengeschäft nicht mehr an der Zinsmarge, sondern an der Provision der Partnerinstitute – und das ganz ohne Risiko und Eigenkapitaleinsatz. Über die Höhe der Provisionen wollte das Frankfurter Geldhaus keine Angaben machen. Finanz-Szene.de zitierte aber Marktkenner, die von 0,1 bis 0,2 Prozent p.a. ausgehen, was dem Hause einen Ertrag von mindesten einer Million einbringen sollte.

Gemessen an den FinTech-Plattformen wie Weltsparen oder Zinspilot ein bescheidener Umsatz. Dennoch ist dies der erste öffentlich bekannte Umsatz, der dem Plattform-Modell und damit auch den enormen Investitionen in die Digitalstrategie der Deutschen Bank zugerechnet werden kann. Bisher machte das Flaggschiff der Digitalisierungsstrategie, die Digitalgrafik im Frankfurter Stadtteil Rödelheim, lediglich mit Superlativen wie der Einstellung von 400 hochkarätigen IT-Experten und 750 Mio. Euro Investment Schlagzeilen. FinTechs sollte das Feld der Finanzprodukte und Services nicht kampflos überlassen werden, so die Aussage der Deutschen Bank bei Eröffnung der Digitalfabrik. So gesehen zahlen die Erfolge des „Zinsmarktes“ direkt auf die Ziele der Digitalfabrik und damit der Digitalisierungsstrategie und das Plattform-Modell der Deutschen Bank ein.

Minimal- oder Plattform-Modell – Banken haben die Wahl

Das Beispiel des Developer Portals der Deutschen Bank zeigt, wie Banken mit den Anforderungen der PSD2 umgehen können. Bereits die Minimalerfüllung in Bezug auf die geforderten Schnittstellen eröffnet Drittanbietern ein großes Potenzial. Die kontoführenden Institute laufen damit mehr und mehr Gefahr, den begehrten Kontakt zum Kunden verlieren. Gleichzeitig können durch das Einbinden von Drittanbietern, sei es über Schnittstellen oder neue Produktangebote, aber auch Innovationen entstehen und neue Ertragsquellen erschlossen werden.

Banken müssen sich zügig entscheiden, wie sie mit den PSD2-Anforderungen umgehen. Die Null-Option, in diesem Fall die Umsetzung der PSD2-Minimalanforderungen, birgt die Gefahr als reine Commodity zu verkümmern und neuen Anbietern das Feld zu überlassen. Die aktive Nutzung der PSD2-Anforderungen birgt hingegen jede Menge Chancen neue Geschäftsmodelle zu generieren oder im Fall einer Kooperation mit anderen Banken bzw. FinTechs an Innovationen teilzuhaben. Letztendlich muss jedes Finanzinstitut abwägen, welcher Weg der richtige sein könnte – die Null-Option wird es aber nicht sein.

Ohne Mehrwert keine Revolution

Abzuwarten bleibt jedoch, wie der Markt diese neuen Optionen nutzen wird. Denn ohne die Einwilligung des Kunden, einem Drittanbieter „Zutrittsrecht“ auf sein Bankkonto zu gewähren, werden alle noch so innovativen Modelle im Sande verlaufen. Die neuen Services, die durch PSD2 ermöglicht werden, müssen so ausgestaltet sein, dass sie dem Kunden einen Mehrwert bieten und er dafür bereit ist seinen bisher gut geschützten „Datenschatz“ zu öffnen. Aber genau dieser Mehrwert fehlt den zahlreichen neuen Produkten und Services, die bisher am Markt sind. Was bringt es beispielsweise dem Kunden an der Supermarktkasse, wenn er anstatt der Kreditkarte das Smartphone vor ein Lesegerät halten muss? Der große Durchbruch im Zahlungsverkehr ist das sicher noch nicht.

Und wie sieht es bei den Kosten aus: Konnten diese reduziert werden und ist dadurch mehr Wettbewerb entstanden? Auch hier ist PSD2 die Zündung noch nicht geglückt. Die „alten neuen Angreifer“ haben aufgrund des „Mehrwertdilemmas“ bisher keine Konkurrenz zu fürchten und haben ihre Konditionen folglich auch keinen Cent nach unten anpassen müssen. Banken, die sich Apple Pay öffnen, werden zwar einen Teil der Interchange an Apple abgeben müssen, aber ob Apple Pay damit den Händlern günstigere Konditionen anbieten wird, ist zum jetzigen Zeitpunkt noch fraglich.

Da die Aufsicht die Anforderungen an das Vorhandensein der Bankenschnittstellen auf September 2019 gesetzt hat, werden wir uns mit einer abschließenden Beurteilung noch gedulden müssen. Bisher ist der große Erdrutsch durch die PSD2 jedoch noch nicht eingetreten.


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Dieser Beitrag hat 2 Kommentare

  1. Avatar
    Thorsten Austen

    “Was bringt es beispielsweise dem Kunden an der Supermarktkasse, wenn er anstatt der Kreditkarte das Smartphone vor ein Lesegerät halten muss?”

    Der Bezahlvorgang ist bei mir dadurch heute schon schneller und komfortabler, da
    – mein Phone die handgeschriebene Einkaufsliste schon lange ersetzt hat und ich das Gerät somit im Supermarkt in der Hand habe oder griffbereit ist
    – das Fummeln nach der Karte damit entfällt
    – das Ganze über ein anderes Device (Smartwatch) laufen kann und somit nicht auf das Smartphone beschränkt ist.

    Jüngeren und ggfs. deutlich technikaffinerern Menschen als mir alten Mittvierziger fallen hierzu wahrscheinlich noch ganz andere Sachen ein.

    1. Avatar
      Tobias Laemmle

      Ich denke, das Bezahlen über eine Wallet wie Google oder Apple Pay geht schon in die richtige Richtung, ist aber (wie bei vielen Digitalisierungsprojekten) noch zu kurz gedacht. Im Prinzip wurde ein bestehendes Produkt (Kreditkarte) lediglich in das Smartphone integriert.

      Aber warum ist überhaupt eine Kreditkarte hierfür notwendig? Erst recht wenn man bedenkt, dass die größte Zielgruppe (Millenials) Kredite/Schulden weitaus stärker scheuen, als ihre Vorgänger und daher auch die Kreditkartennutzung der Debitkarte weit hinterherhinkt.

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