Wellness- oder Horrortrip: Wohin geht die digitale Reise der Versicherer?

Wie soll sich die Versicherungsbranche in Zukunft positionieren? Welche innovativen Ansätze sind denkbar? Fragen, die der Partnerkongress der Versicherungsforen Leipzig beleuchtet. Mich hat im Vorfeld vor allem das Thema Digitalisierung beschäftigt. Eine Suche nach Antworten.

Als ich gebeten wurde, einen Beitrag zur Digitalisierung in der Versicherungswirtschaft zu schreiben, war ich zunächst unschlüssig.

Jeder versteht unter dem Buzzword etwas anderes, es gibt unterschiedliche Denkansätze und divergente Umsetzungsoptionen. Digitalisierung ist nicht gleich Digitalisierung. Es ist eine Frage des Ausgangspunkts. Es vergeht kaum ein Tag ohne Meldungen rund um das Thema. Oft stehen Defizite im Blickpunkt: veraltete Technologien und Datenbanksysteme oder Schnittstellenprobleme. Diese Diskussion wollte ich nicht wiederholen. Also entschied ich mich für eine oder besser gesagt zwei Zeitreisen.

Eine Reise in die Zeit der New Economy

Starten möchte ich mit einer Reise in die Vergangenheit, einem Zitat aus einem Vortrag, der bereits 2000 gehalten wurde. Damals sagte Prof. Franz Nees (Fakultät für Wirtschaftsinformatik an der Hochschule Karlsruhe):

„Die Wirtschaft befindet sich in einer Zeit großer Umbrüche. Neue Geschäftsideen und Geschäftsmodelle etablieren sich und wirken sich auf die Organisation der Unternehmen, die Absatz- und Beschaffungsmärkte, die Anbieter und Nachfrager von Gütern und Dienstleistungen aus. (…) Der Wert von Unternehmen wird immer weniger durch die materiellen Vermögensgegenstände bestimmt, die ein Unternehmen besitzt, dafür aber immer mehr durch die Visionen, Ideen und das Wissen der Unternehmen. IT ist in dieser Welt die Schlüsseltechnologie. Diese Entwicklung verändert auch die Organisationsformen von Unternehmen. (…) Auf der Anbieterseite schwinden die Eintrittsbarrieren für neue Wettbewerber und die Fähigkeit, zur rechten Zeit eine Leistung am Markt anbieten zu können, wird noch wichtiger als in der Vergangenheit, weil die Gefahr steigt, dass Wettbewerber den Markt schon besetzen, wenn man selbst zu langsam ist. Dies wird zu einem Nachteil vor allem für große Unternehmen, deren Entscheidungswege länger sind, wo Spezialwissen für eine Vielzahl von Leistungen benötigt wird, da das Leistungsspektrum, das angeboten wird, vielfältig ist.“

Wie recht er damals mit seiner Einschätzung hatte, zeigt ein Blick auf den Status quo: FinTechs wildern in den Geschäftsfeldern der Versicherungen und punkten dabei mit innovativen Ideen und (neuen) Technologien. Was Prof. Franz Nees damals Virtualisierung nannte, beschreibt die heutige Digitalisierung.

Zurück in die Zukunft

Es ist ein „Digitalisierung-Wettbewerb“ entbrannt, bei dem die Gewinner und Verlierer noch lange nicht feststehen – dazu ist das Pflänzchen viel zu zart. Aber wie geht es weiter? Lassen Sie uns gemeinsam in das Jahr 2050 reisen: Sie werden ihr Fahrzeug nicht mehr selbst lenken – es fährt autonom, sicher und ohne Störungen. Zu Terminen erscheinen Sie immer pünktlich: der Wecker checkt jeden Morgen die Nachrichten und weckt Sie bei hohem Verkehrsaufkommen früher. Schon beim Zähneputzen wird Ihr Gesundheitszustand analysiert und ausgewertet. Ein Chip an Ihrem Körper sendet permanent Daten. Diese werden in Echtzeit an Ihren persönlichen Coach übertragen. Er begleitet Sie Tag und Nacht und greift virtuell in Ihr Leben ein. Bei gesundheitlichen Problemen stößt er z.B. sofort eine Therapie an. Alkohol- und Zigarettenkonsum sind natürlich untersagt. Sie sollen ja schließlich lange leben. Ihre Versicherungsprämie errechnet sich nach Ihrem Gesundheitszustand und bei Regelverstößen kann der Versicherungsschutz entfallen. Ihr komplettes Leben wird ausgewertet und die Daten stehen Ihnen – genauso wie Ihrem Versicherer – zur Verfügung. Das ist in vielen Lebenslagen praktisch. Haben sie z.B. einen Schlaganfall, beauftragt der Coach aufgrund der Diagnostik sofort ein Notarzt, der Sie innerhalb kürzester Zeit ins Krankenhaus bringt. Der lästige Papierkram im Krankenhaus entfällt. Ihre Daten sind schon da. Wird auch diese Zukunftsvision zur Realität werden?

Reiseziel unbekannt?

Die Frage, ob dies alles bezahlbar wäre, stelle ich bewusst nicht. Mich interessiert viel mehr, wie weit Versicherer und FinTechs gehen werden und ob der Kunde am Ende mehr Vor- oder Nachteile hat. Antworten erhoffe ich mir vom Partnerkongress der Versicherungsforen Leipzig. Denn hier sind sowohl Versicherer als auch IT-Anbieter vor Ort und präsentieren ihre Ideen und Visionen. Morgen fällt der Startschuss für zwei spannende Tage. Vielleicht kann ich danach die Frage beantworten, wohin die Reise geht – ich halte Sie auf dem Laufenden und freue mich natürlich auch über Einschätzungen von Ihrer Seite.

 

Bildquelle: Shutterstock

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