6 Gründe für Versicherer Legacy Systeme abzulösen

Legacy Systeme: Die IT von Versicherern unterliegt starkem Modernisierungsdruck – digitale Geschäftsmodelle verlangen einen radikalen Umbau der Bestandssysteme.

Bei vielen Versicherern sind die Bestandssysteme in die Jahre gekommen. Legacy Systeme wurden nicht für die aktuelle Situation designt und passen in der Konsequenz nur notdürftig in die Arbeitsabläufe. Die jährliche IT-Umfrage des Gesamtverbandes der Versicherer (GDV) kommt so auch zu einem eindeutigen Ergebnis: Die Modernisierung der IT steht bei Versicherungen weit oben auf der Agenda – und dazu gehört auch die Ablösung von Altsystemen.

Gestützt wird diese Einschätzung auch vom Branchenkompass Insurance. Laut diesem nimmt die Ablösung von Legacy Systemen immer mehr Fahrt auf. Ausgangspunkt ist der Anspruch, neue digitale Werkzeuge und Anwendungen rasch in die Bestandssysteme einbinden zu können. So verwundert es auch kaum, dass in der Studie Financiers ridden with technical debt mehr als 80 Prozent der befragten Versicherer und Finanzdienstleister angeben, dass sie sich durch veraltete Legacy Systeme behindert fühlen. Vor allem folgende sechs Gründe sprechen aus meiner Sicht für eine zeitnahe Ablösung von Altsystemen:

1. Das Know-how schwindet

Viele der Bestandssysteme bei Versicherern sind Individualentwicklungen, die schon seit Jahren zum Einsatz kommen. Ob durch Arbeitsplatzwechsel oder Renteneintritt – fast alle der ursprünglichen Entwicklerinnen und Entwickler dürften das Unternehmen mittlerweile verlassen haben. Was also tun, wenn neue Anforderungen auftauchen? Zumal nicht nur die Legacy Systeme selbst veraltet sind, sondern auch die Programmiersprachen, in denen sie geschrieben wurden. So dürfte es sich z.B. schwierig gestalten, eine/n erfahrene/n COBOL-Entwickler/in zu finden. Verschärft wird die Situation dadurch, dass die Architektur der Legacy Systeme oft nur noch schwer nachvollziehbar ist. Und selbst, wenn ein Dienstleister zur Verfügung steht – ein Vendor Lock-in ist in diesem Fall quasi garantiert.

2. Die technischen Schulden wachsen

Das organische Wachstum von Legacy Systemen hat zur Folge, dass sie zunehmend schlechter wartbar werden. Es entstehen technische Schulden, die den Umstieg auf ein modernes Bestandssystem zwar immer notwendiger machen, ihn aber gleichzeitig auch mehr und mehr erschweren.

3. Geschäftsprozesse werden ausgebremst

Automatisierte Prozesse sorgen dafür, dass das Fehlerpotenzial eingedämmt wird und sich Beschäftigte auf ihre Kernaufgaben konzentrieren können. Sollen solche Verfahren eingeführt werden, stoßen Legacy Systeme aufgrund ihres hohen Komplexitätsgrades recht schnell an ihre Grenzen. Dabei wird der Einsatz von Robotern und Künstlicher Intelligenz für Versicherer zunehmend zum kritischen Erfolgsfaktor. Es besteht ein direkter Zusammenhang zwischen dem Automatisierungsgrad von Geschäftsprozessen und der Umsatzrendite. Darüber hinaus fällt es Mitarbeitenden in der Regel leichter, moderne Anwendungen zu bedienen, als sich in komplexen Altsystemen zurechtzufinden.

4. Altsysteme fressen das Budget auf

Der Einsatz von Legacy Systemen verschlingt bei vielen Versicherern einen Großteil des IT-Budgets – und aufgrund veralteter Technologie steigen die Kosten auch kontinuierlich weiter. Nicht zuletzt, weil es spezielle Fachkenntnisse erfordert, um diese Altsysteme aufrechtzuerhalten.

5. Die Digitalisierung stottert

Will man mit veralteten IT-Infrastrukturen Innovationen umsetzen, gerät man recht schnell an die Grenzen des Machbaren, denn Legacy Systeme sind nur wenig flexibel und somit echte Innovationsbremsen. Das ist ein Blocker für die Integration neuer Kommunikationsstandards oder die Nutzung neuer Datenspeichertechnologien. Damit wird es für Versicherer schwierig, ein digitales Kundenerlebnis – wie z.B. eine medienbruchfreie Customer Journey über End-to-End-Prozessketten – zu schaffen. Zusätzlich lassen sich Altsysteme nicht in die Cloud verlagern.

6. Die Gefahr von Cyberangriffen und Datenschutzverstößen steigt

Cyberkriminalität hat zuletzt Platz eins der häufigsten Verbrechen gegenüber Unternehmen erreicht. Gleichzeitig geben in einer aktuellen Lünendonk-Studie 97 Prozent der befragten Versicherungen, Banken und Vermögensverwaltungen an, dass sie im Falle eines Cyberangriffs von schwerwiegenden Schäden ausgehen. Gerade Legacy Systeme weisen immer wieder erhebliche Sicherheitsprobleme auf: entweder durch die bereits erwähnten technischen Schulden oder durch den in vielen Fällen schon seit Jahren abgelaufenen Herstellersupport und dementsprechend fehlenden Sicherheitsupdates. Darüber hinaus führt auch das Thema DSGVO immer mehr zu Problemen – in Legacy Systemen ist nicht berücksichtigt, dass Daten einfach, schnell und direkt gefunden und extrahiert oder gelöscht werden können.

Komplexität ist Bremsklotz für die Ablösung von Legacy Systemen

Wollen Versicherer konkurrenzfähig bleiben und zukunftssicher arbeiten, ist die Ablösung von Legacy Systemen unausweichlich. Im Branchenvergleich stehen sie mit ihren Aktivitäten hier bisher eher noch im hinteren Drittel. Nicht zuletzt, weil eine Umstellung von Bestandssystemen meist mit viel Aufwand und Risiko verbunden ist. Aber Fakt ist: Die Kosten für die Wartung und Pflege von Altsystemen werden immer höher, gleichzeitig nimmt die Leistungsfähigkeit ab, während parallel dazu die Anforderungen an IT-Systeme wachsen.

Wie Versicherer Legacy Systeme erfolgreich ablösen können, beleuchte ich in meinem nächsten Beitrag hier auf dem Finance IT Blog.


Bildquelle: Shutterstock

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