Echtzeitüberweisung: EU-Regulatorik als Game Changer?

In das Thema Echtzeitüberweisung kommt Bewegung: Durch eine regulatorische Vorgabe will die EU-Kommission Instant Payments endlich zum Durchbruch verhelfen.

Die EU-Kommission hat Ende Oktober einen Gesetzesvorschlag angenommen, wonach alle Bürger/innen und Unternehmen, die ein Konto in einem EU- oder EWR-Land unterhalten, Zugang zu Echtzeitüberweisungen in Euro erhalten sollen. Nun könnte man glauben, dass Instant Payments ein alter Hut seien – und zwar ein fünf Jahre alter. Denn bereits im November 2017 bot mit der HypoVereinsbank die erste deutsche Bank diesen Service an.

Laut dem European Payments Council stellen in Deutschland aktuell rund 1.200 Institute Echtzeitüberweisungen zur Verfügung und trotzdem hat sich in fünf Jahren Instant Payments kaum etwas bewegt. Der Standard sind nach wie vor SEPA-Überweisungen – in der EU wurden Anfang 2022 nur bei elf Prozent aller Euro-Überweisungen Sofortzahlungen genutzt. Der Grund sind ungelöste Herausforderungen rund um Echtzeitüberweisungen, die ich bereits im August 2018 in meinem Artikel „Instant Payments: Gut gedacht, schlecht gemacht?“ adressiert habe. Dazu gehören beispielsweise Lücken in der Akzeptanz und der technischen Infrastruktur, fehlende Use Cases sowie eine unattraktive Kostenstruktur – der Aufpreis für Echtzeitüberweisungen liegt zwischen einigen Cent und mehreren Euros.

Push aus Brüssel für Echtzeitüberweisungen

Der neue Gesetzesvorschlag greift einige der oben genannten Punkte auf und definiert vier Anforderungen an Instant Payments:

1. Allgemeine Verfügbarkeit

Jeder EU-Zahlungsdienstleister, der Überweisungen in Euro anbietet, soll verpflichtet werden, diese auch als Echtzeitüberweisungen anzubieten. Hintergrund ist, dass ein Drittel heute noch keine Sofortzahlungen im Portfolio hat.

Das bringt vor allem Zahlungsdienstleister in Zugzwang, deren Kernbankenlösung nicht ohne Weiteres auf eine Instant-Payments-Lösung upgegradet werden kann, wirft aber auch die Frage auf, ob es überhaupt sinnvoll ist, die aktuellen Systeme nochmals zu erweitern, indem z.B. ein neuer Konverter angebaut wird. In seinem Artikel „Zahlungsverkehr: 5 Anforderungen an eine Payment Engine“ erklärt mein Kollege Werner Traidl ausführlich, warum die aktuellen Umbrüche im Zahlungsverkehr einen neuen architektonischen Schritt erfordern – und zwar in Form einer offenen Payment Engine.

Payment Engine PASSmultiPay

Mit der Zahlungsverkehrsplattform PASSmultiPay wird der TARGET2-/Instant Payment-Zahlungsverkehr hoch performant und automatisiert abgewickelt. Sie kann über eine offene API-Architektur nahtlos in die Unternehmensabläufe eingebunden werden und deckt dabei den kompletten Zahlungsprozess ab. Der Entwicklungsplan von PASSmultiPay sieht vor, dass 2023 die neuen SWIFT-Formate und -Prozesse angeboten werden, 2024/2025 folgt der SEPA-Zahlungsverkehr.
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2. Kosten

Für Echtzeitüberweisungen sollen Zahlungsdienstleister keine höheren Gebühren verlangen dürfen als für SEPA-Überweisungen.

3. Mehr Vertrauen in Echtzeitüberweisungen

Um Fehler und Betrugsversuche zu unterbinden, sollen Zahlungsdienstleister bei Instant Payments nachprüfen müssen, ob Kontonummer und Name des Zahlungsempfängers zusammenpassen.

4. Wirksame Überprüfung von Sanktionen

Vorgeschlagen wird ein Verfahren, bei dem die Zahlungsdienstleister ihre Kundinnen und Kunden mindestens einmal täglich mit den EU-Sanktionslisten abgleichen. Sprich Banken sollen im Zuge von Echtzeitüberweisungen schärfere Vorkehrungen gegen Geldwäsche treffen.

Anti-Geldwäsche-Software

Die Erfüllung der Auflagen und Anforderungen des Geldwäschegesetzes bzw. der EU-Anti-Geldwäsche-Richtlinie ist für jede Bank, Versicherung und zahlreiche weitere Organisationen (sog. "Verpflichtete") bindend. Für die zentrale, papierlose Bearbeitung steht mit PASS AML eine kostengünstige und performante Anti-Geldwäsche-Software zur Verfügung. Mit ihr können Transaktionen oder Kunden mit einem Bezug zu illegalen Tätigkeiten identifiziert werden.
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Sind Echtzeitüberweisungen ein Kundenbedürfnis?

Die Deutsche Kreditwirtschaft (DK) sieht die Vorschläge der EU-Kommission kritisch:

 „Damit würde ein tiefgreifender und nicht sachgerechter Markteingriff sowohl bei Produktangeboten als auch bei etablierten Marktpreisbildungsmechanismen erfolgen. Aus Sicht der Deutschen Kreditwirtschaft ist jedoch grundsätzlich kein Marktversagen zu erkennen, welches einen regulatorischen Eingriff rechtfertigt. […] Eine gesetzgeberische Bevorzugung von Echtzeitüberweisungen zu Lasten der Standardüberweisung oder weiterer Zahlungsformen läuft einmal mehr Gefahr, Fehlanreize entgegen den tatsächlichen Kundenbedürfnissen zu setzen. Produktanforderungen sollten sich marktgetrieben entwickeln und nicht durch den Gesetzgeber vorgegeben werden.“

Auf den ersten Blick könnte man sich der DK anschließen – insbesondere, wenn man berücksichtigt, dass bereits 89 Prozent der Banken in Deutschland Echtzeitüberweisungen anbieten. Europaweit liegt die Quote laut European Payments Council erst bei 61 Prozent. Dennoch geht die Kritik der DK an der Sache vorbei und verkennt die Chancen, die darin liegen, wenn Instant Payments das „New Normal“ werden.

In den Zahlungssystemen sind viele Milliarden Euro im Umlauf – besser gesagt: gebunden. Das heißt, sie stehen nicht für den Konsum oder Investitionen zur Verfügung. Dieses Potenzial gilt es gemeinsam zu heben. Echtzeitüberweisungen verbessern die Liquidität sowie den Cashflow und kommen allen Seiten (Verbraucher/innen, Handel, Unternehmen und öffentlichen Verwaltungen) zugute. Laut des Handels- und Dienstleistungskonzerns Otto gehen aktuell nur zehn Prozent aller Zahlungen als Instant Payments ein und das liege „ziemlich genau auf Marktniveau“. Wenn die Banken die Gebühren-Handbremse bei Echtzeitüberweisungen lösen, wird dies einen ähnlich positiven Effekt haben wie die Einführung von SEPA-Zahlungen.

So sieht das auch der Handelsverband Deutschland (HDE), der die Initiative der EU-Kommission, die Akzeptanz von Echtzeitüberweisungen in der Eurozone zu beschleunigen begrüßt:

„Verbraucher und Händler erhalten mit Instant Payments eine zusätzliche Option bei der Bezahlung. Gleichzeitig können Dienstleister auf dieser Basis entsprechende Produkte gestalten, um eine schnelle und effiziente Zahlungsabwicklung in den verschiedenen Kaufsituationen zu ermöglichen.“

Banken, die heute noch nicht über die entsprechende Infrastruktur verfügen, müssen in neue Systeme und in die Entwicklung neuer Produkte investieren. Diese Kosten sind aber Investitionen in die Wettbewerbsfähigkeit der Banken selbst.

Instant Payments mit Request to Pay verknüpfen

Von Echtzeitüberweisungen profitieren wir zukünftig also alle. Neben den heute schon vorhandenen Use Cases wie z.B. P2P-Zahlungen gilt es nun, neue Use Cases zu schaffen, die einen Mehrwert für die Kundinnen und Kunden generieren. Denkbar ist beispielsweise, Instant Payments mit Request to Pay zu verknüpfen. Hierbei handelt es sich um eine der Zahlung vorgeschaltete Aufforderung, die alle Informationen zur Transaktion enthält. Der Empfangende hat dabei verschiedene Reaktionsmöglichkeiten: annehmen, später annehmen, jetzt bezahlen, später bezahlen oder ablehnen. In Kombination mit Echtzeitüberweisungen könnte so eine komfortable Option angeboten werden, Zahlungen direkt vom Bankkonto aus auszulösen – ein Skonto würde hier für zusätzliche Attraktivität sorgen. Für Banken eröffnet sich damit eine Chance, sich gegenüber den Payment-Diensten von PayPal, Google, Apple & Co. zu positionieren.


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