Kryptos – die Idee vom besseren Geld

Kryptowährungen fordern das staatliche Währungsmonopol heraus. Aber sind sie wirklich das bessere Geld? Stand heute, ein klares Nein.

In meinem Beitrag „Das Ende des Geldes, wie wir es kennen?“ stellte ich die Kulturgeschichte des Geldes dar. Diese ist durch eine fortwährende Dematerialisierung gekennzeichnet, verbunden mit einer immer größer werdenden Bequemlichkeit in der Verwendung des Geldes als Zahlungsmittel – bis hin zu den Möglichkeiten des Zahlens ohne Bargeld. In der Konsequenz nimmt auch in Deutschland die Verwendung von Bargeld seit Langem kontinuierlich ab. Der Preis der Bequemlichkeit ist die Preisgabe der Informationen, was wir wann, wo und zu welchem Preis kaufen. Diese werden von Banken, Kreditkartenorganisationen und Zahlungsdienstleistern (z.B. PayPal oder Klarna) sowie nicht zuletzt großen Internet-Playern (Google, Apple oder Amazon) gesammelt, ausgewertet und ohne unser Wissen bzw. unsere Einwilligung weitergegeben. Mit dem Ziel, noch mehr Produkte zu verkaufen und uns mit der passenden Werbung zu berieseln, werden wir laufend gerastert. Wenn dies unterbunden werden soll, braucht es ein Geld, das die Anonymität des Bargeldes mit dem Komfort der Online-Zahlung verbindet.

Kryptos als DIE Lösung?

Die Fans von „Kryptowährungen“ glauben, dass diese die Lösung schlechthin versprechen. Dabei ist der Begriff eigentlich irreführend, denn bei einer Währung handelt es sich um ein gesetzliches Zahlungsmittel mit Annahmezwang, was bei Kryptos nicht der Fall ist. Dennoch spielen Kryptos seit Jahren eine immer größere Rolle. Die Anhänger/innen verfolgen ein Freiheitsideal, welches staatlichen Autoritäten grundsätzlich unterstellt, dass sie zum Nachteil des Individuums agieren und zugunsten der Verfolgung eines Minderheitsinteresses die Mehrheit der Staatsbürger/innen benachteiligen. Daher verzichten diese Konzepte vollständig auf zentrale Institutionen, die für die Funktionsfähigkeit und die Integrität dieses Geldes einstehen.

Der Pionier: Bitcoin

Die Idee vom Bitcoin entstand 2008 als Reaktion auf die Finanzmarktkrise und den großen Vertrauensverlust in das bestehende Geld- und Finanzsystem. Er basiert auf der Anwendung kryptografischer Methoden, mit deren Hilfe Zeichenfolgen (Bits) eindeutig zuordenbar werden und gegen Fälschung bzw. Duplizierung geschützt werden können. Dadurch können diese Bits als virtuelle Münzen (Coins) eingesetzt werden – und daher stammt auch das Kunstwort für die Bezeichnung des Konzepts. Der Erfinder der Kryptowährung Bitcoin ist unter dem Pseudonym Satoshi Nakamoto bekannt. Allerdings ist nicht klar, ob es sich dabei wirklich um eine Einzelperson handelt oder um ein Kollektiv – die Hypothesen sind zahlreich. Fakt ist, dass im Oktober 2008 das Whitepaper „Bitcoin: A Peer-to-Peer Electronic Cash System“ veröffentlicht wurde, das auf acht Seiten die technischen Grundlagen für Bitcoin, Kryptowährungen und die Blockchain-Technologie beschreibt. Damit gilt es mehr oder weniger als Gründungsdokument der virtuellen Währungen.

Virtuelle Repräsentation eines Zahlungsmittels

Neben dem Bitcoin gibt es über 350 weitere Implementierungen von virtuellem Geld. Darunter sind einige wenige bedeutende wie Ether oder Ripple und zahlreiche Exoten, die man unter dem Begriff Altcoins zusammenfasst. Eine wesentliche Eigenschaft aller Implementierungen ist darin zu sehen, dass sie eine virtuelle Repräsentation eines Zahlungsmittels darstellen, das elektronisch gespeichert, übertragen oder verkauft werden kann. Dies schließt zwar nicht die Möglichkeit aus, etwa Bitcoins auszudrucken und physisch zu speichern, aber das Wesen dieser Art Zahlungsmittel besteht in der Speicherung auf Rechnern. Dabei unterscheiden sie sich auch fundamental von Geld auf einem Bankkonto, das ja ebenfalls online auf einem Rechner geführt werden kann: Die Anzeige des Bankguthabens im Online Banking ist nur die Visualisierung des vorhandenen Zahlungsmittels, die Bitcoins auf dem Rechner sind dagegen das Geld selbst.

Warum der Bitcoin keine der drei Geldfunktionen erfüllt

Von der Grundidee her sollen Kryptos benutzt werden, um damit Güter und Dienstleistungen zu bezahlen, sie sind also im Grunde eine Art von Geld. Dies setzt voraus, dass es Firmen und Privatpersonen gibt, die sie akzeptieren. Theoretisch ist der Bitcoin durchaus in der Lage, die drei Geldfunktionen auszufüllen: Er ist knapp, haltbar und weitgehend fälschungssicher. Dies sind wesentliche Eigenschaften, die ein Artefakt, das als Geld fungieren soll, erfüllen muss. Wenn man den Bitcoin in der Praxis betrachtet, kann allerdings auch nach 15 Jahren nicht wirklich von einer allgemeinen Akzeptanz als Zahlungsmittel die Rede sein. Sicher, die Anzahl der Akzeptanzstellen wächst, aber auf immer noch niedrigem Niveau und mit überschaubarem Tempo. Und in vielen Akzeptanzstellen spielt der Bitcoin eine völlige Randrolle, wenn man die Anteile an den tatsächlichen Zahlungsvorgängen und Zahlungsvolumina betrachtet. Das Zahlungsmittel Bitcoin ist und bleibt auf absehbare Zeit ein Nischenprodukt.

Weiterhin ist der Tauschkurs des Bitcoin zu den echten Währungen seit einem Jahr von erheblichen spekulativen Bewegungen geprägt. Er ist wiederholt um ein Vielfaches seines Ausgangswertes angestiegen, hat danach aber mehrfach 60 Prozent des einstigen Höchststands wieder eingebüßt. Diese erhebliche Volatilität macht den Bitcoin als Recheneinheit völlig unbrauchbar, da sich damit die Güterpreise beständig verändern würden. Und schließlich eignet er sich auch nicht zur Werterhaltung: Ob der Wert eines Invests in Bitcoin erhalten bleibt, hängt wesentlich vom Zeitpunkt an, zu dem er zugeflossen ist. Aufgrund der hohen Schwankungen gibt es hier Gewinner und Verlierer.

Bündelt man alle diese Fakten, ist zusammenfassend festzuhalten, dass der Bitcoin keine der drei Geldfunktionen wirklich erfüllt. Damit kann er aus ökonomischer Sicht bislang auch nicht als Geld bezeichnet werden. Die Anhänger/innen des Konzepts geben sich nach wie vor optimistisch, dass sich dies in der Zukunft verändern wird. Eine unabdingbare Voraussetzung dafür wird es sein, dass die immense Volatilität mindestens auf mittlere Sicht verschwindet.

Einfacher Zugang zum Zahlungskreislauf

Es gibt einige Gründe, die für Kryptos im Allgemeinen sprechen. Ein gutes Argument ist der Datenschutz. In Zeiten, in denen weltweit Daten über das Transaktionsverhalten der Menschen gesammelt werden, ist ein Zahlungsmittel von Vorteil, dessen Bewegungen nur mit sehr großem Aufwand nachvollzogen werden können. Dazu kommt: In Ländern, die kein funktionierendes Bankensystem haben, in denen es hohe Barrieren für den Zugang zu Bankkonten gibt, in denen Zahlungsdienstleistungen sehr teuer sind oder die keine international konvertible Währung aufweisen, bieten Kryptos einen einfachen und wirksamen Zugang zu einem lokalen und auch globalen Zahlungskreislauf. In dieser Hinsicht versprechen Kryptos für viele Menschen in Afrika, Südamerika und Teilen Asiens einen erheblichen Fortschritt. Zumindest der Bitcoin kann aufgrund seiner Konzeption außerdem einen guten Inflationsschutz vorweisen, da seine Maximalmenge konzeptionsbedingt auf ca. 21 Mio. Bitcoins beschränkt ist. Die Geldentwertung galt schon immer als Schwachpunkt konventioneller Währungen.

Endlichkeit als „Geburtsfehler“

Allerdings stellt sich die Frage, ob die Furcht vor der Inflation im globalen Maßstab überhaupt berechtigt ist. Im Zuge von Finanz- und Eurokrise senkten die Notenbanken die Zinsen auf historische Tiefststände, Beträge auf den Sparkonten blieben unverzinst. Die von mancher Seite erwartete Geldentwertung blieb indes aus. Zwar erlebt die westliche Welt derzeit die erste Inflationswelle seit 30 Jahren, diese wird jedoch durch die in Folge des Ukrainekriegs gestiegenen Energiepreise getrieben. Dieser Anstieg hat seinen Höhepunkt wohl bereits hinter sich, auch wenn aufgrund von Zweitrundeneffekten bei Löhnen und Güterpreisen keine ganz kurzfristige Entspannung zu erwarten ist. Allgemein wird erwartet, dass sich die Inflation mittelfristig wieder in Regionen von zwei Prozent zurückentwickelt. Eine längere und ungebremste Inflationsphase ist nicht auszumachen.

Eine Deflation und damit verbunden eine lang anhaltende Rezession bei einer Währung, die in der Menge gedeckelt ist, ist hingegen ein Problem. Damit die produzierten Güter gekauft werden können, benötigt eine wachsende Wirtschaft auch eine wachsende Geldmenge. Die Geldnachfrage für Transaktionen in einer Wirtschaft ist mathematisch gesehen eine Funktion des Inlandsprodukts. Wenn dieses real wachsen soll und die Geldmenge konstant bleibt, dann müssen die Preise sinken, was wiederum das Wachstum abwürgen würde. Immer wiederkehrende Rezessionen wären also eine unvermeidliche Begleiterscheinung einer Volkswirtschaft, deren Geldmenge nicht wachsen kann. Und genau hier liegt der „Geburtsfehler“ des Bitcoins: Aufgrund der primären Angst vor der Inflation wurde die Maximalmenge beschränkt.

Wie geht die Reise weiter?

Es stellt sich die Frage, wie die Reise der Virtualisierung des Geldes weitergeht: Werden die großen Unternehmen der Digitalisierung eine neue Ära des Kryptogeldes einläuten und damit zukünftig auch das Geld kontrollieren oder werden die heutigen Staatswährungen in einer digitalen Variante die Vorteile der Kryptos abbilden können und damit in neuem Gewand die alte Dominanz wieder festigen? Dies wird der Gegenstand des dritten Teils in dieser Reihe sein.


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