Das Ende des Geldes, wie wir es kennen?

Staatswährungen, Bargeld, Digital Payments und Konzerngeld im Wettstreit – das Geldsystem befindet sich im Umbruch.

Das Wesen des Geldes wandelt sich gerade radikal – die Debatten rund um das Thema werden lebhaft und nicht selten emotional geführt. Innovationen beim Geld sind kulturgeschichtlich allerdings ein regelmäßig wiederkehrendes Phänomen.

Neue Zahlungsmethoden […] zwingen uns, über die Rolle des Geldes in der Gesellschaft neu nachzudenken. Das passiert etwa alle 100 bis 150 Jahre. Wir sind jetzt wieder an so einem Wendepunkt. Geld ist nichts anderes als eine soziale Übereinkunft, die sich im Laufe der Geschichte immer wieder verändert hat.

Diese soziale Übereinkunft, von der Cunliffe spricht, hat die Menschen stets fasziniert und abgestoßen zugleich. Dem einen bedeutet sie Hoffnung auf bessere Zeiten, auf Konsum, Bequemlichkeit und Sicherheit. Der andere verdammt sie als Symbol der Habgier oder Mittel zum Krieg. Aber sie gerät ins Wanken. Digitalkonzerne wie Alibaba, Amazon und Google greifen das Bargeld an, das bisher Milliarden Menschen uneingeschränkt verwendet haben. Neue Digitalwährungen wie Bitcoin oder Ether attackieren die Staatswährungen, die seit Jahrhunderten den Alltag dominieren.

Bevor wir der Frage nachgehen, warum es aktuell zu dieser epochalen Umwälzung kommt, soll zunächst die Geschichte des Geldes skizziert werden. Wie sind wir dahin gekommen, wo wir heute stehen?

Die Geschichte des Geldes

Entwickelt hat sich Geld in der Folge der Arbeitsteilung. In einer Tauschwirtschaft gibt es ökonomisch gesehen zwei Begründungen für die Entstehung von Geld: Einerseits die Reduzierung der Transaktionskosten des Tausches und die Verminderung von Unsicherheit. Aus dem Tauschhandel resultieren Kosten durch den Transport des Tauschguts zum Tauschort, die Lagerung des Tauschguts und das eventuelle Verderben des Tauschguts bei fehlender Möglichkeit zum Tauschgeschäft. Geld muss also Eigenschaften aufweisen, die diese Kosten reduzieren.

Außerdem kann ein Tauschgeschäft potenziell scheitern, weil z.B. dem Partner das angebotene Tauschgut nicht zusagt oder aber das vorhandene Tauschgut nicht in der gewünschten Teilmenge zur Verfügung gestellt werden kann. Mit einem Universaltauschgut Geld lässt sich die Unsicherheit eigentlich vollständig eliminieren.

Die kulturgeschichtlichen Stationen des Geldes verlaufen auf einem Pfad, der zu einer immer vollkommeneren Lösung der Probleme der Transaktionskosten und der Unsicherheit führt. Dieser Pfad ist charakterisiert durch eine zunehmende Entmaterialisierung des Geldes:

 

Warengeld

Am Anfang stehen standardisierte Waren, zunächst mit einem eigenen Gebrauchswert (z.B. Tiere), die aber schlecht teilbar sind. Über viele Jahrhunderte ist es eine kleine unscheinbare Muschel, die Kauri-Muschel; die von Südostasien bis nach Ostafrika als universelles Tauschmittel verwendet wurde. Sie hatte keinen eigenen Gebrauchswert mehr. Ihr Wert ergab sich vielmehr aus der Knappheit und den Kosten der Beschaffung. Sie war dauerhaft und leicht zu transportieren und erfüllte damit wesentliche Voraussetzungen. Aber sie ließ sich nicht für große Beträge nach oben skalieren. 

Wägegeld

Abgelöst wurde die Kauri-Muschel durch Metallgeld, das in unterschiedlichem Gewicht und aus unterschiedlichem (Edel-)Metall bereitgestellt werden kann, sodass unterschiedlich hohe Werte relativ einfach dargestellt werden können. Metallgeld hat auch wieder einen Gebrauchswert, nämlich den Wert des Metalls, das auch für andere Zwecke verwendet werden kann. Auch das Metall ist knapp und es ist nur aufwändig zu beschaffen.

Zeichengeld

Mit der Einführung des Papiergeldes beginnt schließlich die Ära des Zeichengeldes. Geld dieser Art kann beliebig vermehrt werden und lebt ausschließlich vom Vertrauen in den Herausgeber dieses Geldes. In den Anfängen des Papiergeldes war es noch durch Gold oder Silber gedeckt, um das Vertrauen zu gewährleisten. Dies ist schon lange nicht mehr der Fall. Wer Zeichengeld in Umlauf bringen kann, macht einen Gewinn, die sogenannte Seignorage. Er schafft etwas, dessen Herstellung nichts oder wenig kostet, dessen Wert nach der Entstehung aber hoch ist. Daher ist die Herausgabe von Zeichengeld bis heute attraktiv.

Buchgeld

Unter Buchgeld versteht man schließlich Geld, welches nur in den Kontobüchern, also auf dem Bankkonto, bereitsteht. In dieser Dematerialisierungsstufe des Geldes stellt es lediglich noch eine abstrakte Forderung dar.

Funktionen des Geldes

In der ökonomischen Theorie dominieren funktionale Geld-Definitionen. Geld ist demnach alles, was die Geldfunktionen erfüllt. Im Einzelnen handelt es sich dabei um drei Funktionen:

  1. Zahlungsmittelfunktion: Geld zeichnet sich dadurch aus, dass es allgemein als Zahlungsmittel (universelles Tauschmittel) akzeptiert wird. Dies ist die elementare Funktion von Geld, das ja dazu dient, den Tausch zu vereinfachen. Konventionelle Währungen erfüllen diese Funktion schon deswegen, weil die Staaten sie in ihrem eigenen Hoheitsgebiet als gesetzliches Zahlungsmittel festlegen.
  2. Recheneinheitsfunktion: Mit Geld werden die Preise aller anderen Güter angegeben. Darüber können sie miteinander verglichen werden und auch aufaddiert werden. Dies setzt einen einigermaßen konstanten Geldwert voraus, weil sonst Preise immer wieder neu festgesetzt werden müssen.
  3. Wertaufbewahrungsfunktion: In Form von Geld lässt sich der Gegenwert eines verkauften Gutes oder einer erbrachten Leistung solange sicherstellen, bis dieser Gegenwert wieder in ein anderes Gut oder eine andere Dienstleistung eingetauscht werden soll. Dies setzt ebenfalls einen konstanten Geldwert voraus, damit durch eine längere Aufbewahrungszeit kein Verlust in der Kaufkraft des Geldes zu Tage tritt.

Die erste systematische Zusammenstellung der Geldfunktionen findet sich bei dem österreichischen Ökonom Ludwig von Mises: Für ihn ist die Funktion als allgemeines Tauschmittel die eigentliche Geldfunktion. Rechenmaßstab und Wertaufbewahrung sind Nebenfunktionen, die sich aus der Hauptfunktion ableiten lassen.

Damit ist also nur als Geld anzusehen, was diese Eigenschaften auch aufweist. Geld ist das allgemein anerkannte Tausch- und Zahlungsmittel, auf das sich eine Gesellschaft verständigt hat. Ist man durch die Rechtsordnung verpflichtet, das Geld anzunehmen, dient es als gesetzliches Zahlungsmittel, durch das eine Schuld mit rechtlicher Wirkung getilgt werden kann. Außerdem dient Geld in entwickelten Volkswirtschaften auch zur Kreditübertragung und Schuldentilgung. Moderne Buchgeldkonzepte basieren immer auf einer Geldschöpfung des Bankensektors durch Kreditvergabe und Zahlungsverkehr. Diese Kreditvergabe ist im ökonomischen Prozess eine wesentliche Voraussetzung für die Finanzierung von Investitionen und damit für wirtschaftliche Entwicklung. Der ökonomische Fortschritt ist also untrennbar mit unserem heutigen Geldsystem verbunden. Der in der Menschheitsgeschichte erstmalige Wohlstand für breite Massen im 20. Jahrhundert wäre ohne es nicht möglich gewesen.

Befinden wir uns an einem Wendepunk?

Die Mehrheit der Menschen hält die Existenz von Geld für unverzichtbar. Gleichzeitig stoßen die Exzesse der monetär basierten Marktwirtschaft immer wieder auf Kritik, denken wir an den tiefer werdenden Graben zwischen Arm und Reich in vielen Staaten des Westens und natürlich vor allem zwischen dem globalen Norden und dem globalen Süden. Doch was passiert gerade mit diesem Geld, wenn wir uns tatsächlich an einem säkularen Wendepunkt befinden? Die Kulturgeschichte der Menschheit lehrt, dass Wandel meist beides mit sich brachte: Fortschritt und Gefährdungen. Zahlreiche Fragen drängen sich uns auf, wenn wir die aktuelle Situation betrachten und bewerten:

In zwei weiteren Blogbeiträgen soll diesen Fragen nachgegangen werden:

Bildquelle: Shutterstock

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